BENNO SCHIRRMEISTER ÜBER BARRIERENFREIHEIT : Verdrängtes Anliegen
Es ist oft nur Unkenntnis, kein böser Wille: Wenn ein Schlachte-Wirt seine Kneipe mit Behinderten-WC ausstattet, aber der Schankraum für Rollstuhlfahrer wegen der Treppe unerreichbar bleibt, klingt das wie ein makabrer Scherz.
Es ist aber doch vielmehr eine Anekdote zum Heulen. Denn sie verrät, wie fern und fremd ein Leben mit Beeinträchtigung denen noch immer ist, die keine haben. Noch keine haben, könnte man hinzufügen – schließlich kommt die Altersgebrechlichkeit auf fast jeden zu, der jetzt noch munter und sorglos durch die Gegend stiefelt.
Wer das weiß, das heißt: Wer das nicht verdrängt, wird auch nicht jammern, wenn Behindertenverbände ihrem Recht auf dem Rechtsweg zu etwas mehr Beachtung verhelfen. Denn Barrierefreiheit ist keine Forderung eines unersättlichen Lobby-Verbandes. Sondern ein gesamtgesellschaftliches Anliegen. Und ein gesetzlich zugesicherter Standard – nicht anders, als Hygiene-Vorschriften.
Würde das Wirtschaftsressort wohl auch darüber klagen, dass diese einseitig auf dem Rücken der Wirte ausgetragen werden, wenn Lebensmittelkontrolleure eine versiffte Großküche dichtmachen? Das würde für abstrus gehalten. Erst aber wenn der Standard der Barrierefreiheit genauso selbstverständlich eingehalten wird, hat Diskriminierung ein Ende.