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Archiv-Artikel

BEIM EC-AUTOMATEN Was vergessen

War ihr wichtig, kein Geld zu bekommen

Irgendwie ist es ungerecht, dass man die Miete im Voraus zahlen muss, während man das Geld für geleistete Arbeit erst Ende des Folgemonats bekommt. Der Überweisungsautomat zeigte mir meinen Kontostand an, und ich sagte leise „Mist!“. „Mist“ ist mein Lieblingsschimpfwort; manchmal schimpfe ich auch „So ein Ärger!“ oder „Kotzwürg!“, wenn etwas danebengeht.

Während ich die Daten für die Mietüberweisung eintippte, hörte ich hinter mir eine helle Stimme „Hallo“ sagen. Die Stimme gehörte einer jungen Rumänin (glaube ich), die mit der Motz hinter mir im Automatenraum stand und jeden neuen Kunden mit einem schüchternen „Hallo“ begrüßte. Niemand erwiderte ihren Gruß.

Ich hatte sie selber auch nicht gegrüßt, nur kurz registriert, dass sie da war, als ich zum Automaten geeilt war. Ihrem Bruder (glaube ich), der sonst hier oft saß, hatte ich manchmal was gegeben. Er hat eine sympathische Ausstrahlung. Das letzte Mal, als ich ihn sah, hatte ich mir grad versehentlich einen Eckzahn abgebrochen und, um meine prekäre Situation zu demonstrieren (oder mit ihr zu prahlen), mich dafür zu entschuldigen, dass ich ihm diesmal nichts geben wollte, den Mund weit aufgemacht. Und weil ich ihm eben bis auf dies Mal eigentlich immer was gegeben hatte, schämte ich mich nun ein bisschen, weil ich mich doch eben entschieden hatte, ihr kein Geld zu geben, und verließ eilig den Automatenraum, ohne sie anzuschauen, und schloss mein Fahrrad auf.

Plötzlich kam die Rumänin angerannt. „Sie haben was vergessen“, sagte sie lächelnd und streckte mir meine EC-Karte hin. Ich nahm die Karte, sagte „Danke!“, kramte in meiner Hosentasche nach Kleingeld. Doch sie rannte so schnell wieder weg, dass ich keine Möglichkeit hatte, ihr etwas zu geben. Es war ihr, glaube ich, wichtig, dafür kein Geld von mir zu bekommen.

DETLEF KUHLBRODT