: BDI: Bewegung ist alles
■ Flexibilisierung und Deregulierung zentrale politische Forderungen
Köln (dpa/taz) - Zur Lösung beschäftigungspolitischer Aufgaben wie auch der Verteilungsprobleme dürften Wirtschafts–, Finanz– und Sozialpolitik nicht mehr unabhängig voneinander betrieben werden. Vielmehr seien sie in ihrem engen Zusammenhang zu sehen und aufeinander abzustimmen, forderte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in seinem Jahresbericht 1984/86. Dazu gehöre ein politischer Ordnungsrahmen, der die Beweglichkeit von Arbeit und Kapital fördere und belohne. Die Unternehmen brauchten mehr Handlungsspielraum. Der BDI kritisiert in diesem Zusammenhang das „NürnbergerAktionsprogramm der SPD, denn hier würden auf gefährliche Weise die Grundprinzipien der marktwirtschaftlichen Ordnung relativiert und ein engmaschiges Netz von Lenkung und Kontrolle über den Markt geworfen. Dabei hätten die Erfahrungen aus Jahrzehnten bewiesen, daß marktwirtschaftlich ausgerichtete und weltoffene Politik Probleme besser löse als die ständige Wiederaufbereitung falscher Lösungsansätze. Die Bemühungen um Entbürokratisierung verdienten Anerkennung, aber die Gesetzgebung gehe trotzdem allzuoft an der guten Absicht vorbei. Arbeitsrecht, Umweltrecht, Steuer– und Abgabenrecht enthielten noch zahlreiche Einzelvorschriften, die den Anforderungen einer modernen Industriegesellschaft nicht mehr entsprächen, heißt es in dem Bericht. Auch steht der Gesundungsprozeß der öffentlichen Haushalte nach Meinung des BDI erst am Anfang. Gut 16 Prozent des Sozialprodukts hätten 1986 den oft unproduktiven Umweg über die Kassen des Staates gemacht, kritisierte der Verband. Die Kehrseite der Medaille: die derzeitige Steuer– und Abgabenlast schwäche sowohl die Investitionskraft der Unternehmen als auch die Konsumkraft der privaten Haushalte. Die Unternehmen hätten trotz mehrere Korrekturen noch immer eine Steuerbelastung von rund 70 Prozent der erwirtschafteten Erträge zu verkraften. Die Eigenmittelquote sei innerhalb der letzten 20 Jahre von rund 30 auf weniger als 20 Prozent gesunken. Fehle es aber an Eigenkapital und Gewinnoptimismus, dann fehle es - so jedenfalls die Logik des BDI - an der entscheidenden Voraussetzung für die Entstehung zusätzlicher Arbeitsplätze. Trotz eines erfreulichen Beschäftigungsanstieges fehlten in der Bundesrepublik immer noch mehr als 1,5 Millionen Arbeitsplätze, stellte der BDI fest. Das Beschäftigungsförderungsgesetz habe das Tor von der Arbeitslosigkeit zu mehr Beschäftigung zumindest ein Stück geöffnet, und es wäre deshalb unsinnig, wichtige Vorschriften dieses Gesetzes Ende 1989 wieder außer Kraft zu setzen. Vielmehr sollten bei einer Novellierung befristete Arbeitsverträge für die Dauer von drei Jahren ermöglicht und die Frist für das Einsetzen des Kündigungsschutzes auf mindestens zwölf Monate ausgeweitet werden. Der ständig steigende Kapitalaufwand je Arbeitsplatz verlange, daß die Anlagen bestmöglich genutzt werden müßten. Eine stärkere Entkoppelung der persönlichen Arbeitszeit von der Maschinenlaufzeit durch mehr Teilzeitarbeit und flexible Schichtenpläne sei deshalb anzustreben, so der BDI–Bericht. Den Arbeitnehmern verschaffe diese Flexibilisierung eine größere „Zeitsouveränität“.
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