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Archiv-Artikel

BARBARA OERTEL ÜBER DIE PROTESTE IN SOTSCHI Putins Mogelpackung

Russlands Präsident Wladimir Putin scheint dieser Tage über sich hinauszuwachsen. Nach der Freilassung des Exölmagnaten Michail Chodorkowski und zweier Aktivistinnen der Frauen-Punkband Pussy Riot lässt sich Putin jetzt auch noch dazu herab, das Demonstrationsverbot während der Olympischen Winterspiele in Sotschi zu lockern.

Das Dumme ist nur, dass sich dieser Vorstoß bei genauerem Hinsehen als durchsichtiges Manöver der russischen Staatsführung erweist, sich vor dem Mega-Sportevent ein liberales Image zu geben.

Denn kritische Unmutsbekundungen sind in Sotschi nur unter allerstrengsten Auflagen möglich. So müssen Proteste mit den städtischen Behörden haarklein abgesprochen werden. Das betrifft sowohl das inhaltliche Anliegen selbst als auch den Verlauf der Demonstrationsroute sowie die Anzahl der Teilnehmer. Dieses Prozedere ist sattsam bekannt und an Absurdität wie Lächerlichkeit nicht zu überbieten. So werden Kundgebungen in Russland häufig nur auf Plätzen gestattet, die weit vom Zentrum entfernt und folglich kaum zu erreichen sind. Vielfach wird der Aktion dann noch an Ort und Stelle der Garaus gemacht, weil über Nacht plötzlich Straßenbaumaßnahmen angeordnet wurden.

Hinzu kommt, dass die – wenngleich reale – Bedrohung durch Anschläge islamistischer Kämpfer immer wieder ein Hintertürchen bietet, um Kritiker kurzfristig zum Schweigen zu bringen.

Vor diesem Hintergrund mutet die Stellungnahme des IOC, das von einer Gewährung der freien Meinungsäußerung faselt, gelinge gesagt merkwürdig an. Man darf auf die Einlassungen des Komitees gespannt sein, wenn in den speziellen „Demonstrationszonen“ die ersten Planierraupen anrücken. Wahrscheinlich ist dann höhere Gewalt am Start.