BARBARA BOLLWAHN über ROTKÄPPCHEN : Aber jetzt, jetzt geht‘s nach Kuba!
Grüne Witze, billige Kondome und Zahnseide: Das ist Kuba. Nur dort lernt man die wesentlichen Dinge des Lebens
Zu DDR-Zeiten durfte ich nicht nach Kuba reisen, obwohl es auch ein sozialistisches Land war. Schuld waren die Flieger von Berlin-Schönefeld nach Havanna, die im kapitalistischen Kanada einen Zwischenstopp einlegten, um aufzutanken. Ich sollte keine Gelegenheit bekommen, mich dabei aus dem Staub zu machen. Auch als es Mitte der 80er-Jahre Direktflüge gab, ließ man mich nicht auf die Insel. Ich war nicht in der Partei und nicht verheiratet, also gab es keine „Garantien“, dass ich zurück kam. Nach dem Mauerfall hätte ich fliegen können, doch da hatte ich genug vom Sozialismus. Aber jetzt, jetzt geht’s nach Kuba!
Wenn ich Glück habe, kann ich dort sehen, was aus meinen Verdiensten um die deutsch-kubanische Freundschaft geworden ist. Damals habe ich Bauanleitungen für Chemiewerke, Landwirtschaftsmaschinen und Kompressoren, die die DDR nach Kuba exportierte, ins Spanische übersetzt. Auf der Leipziger Buchmesse und in landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften habe ich für die Verständigung zwischen ostdeutschen und kubanischen compañeros gesorgt.
Das Beste an den Begegnungen mit den Kubanern war nicht die Verbesserung meines Fachwortschatzes, sondern das Erlernen wirklich wichtiger Sachen. Witzeerzählen auf Spanisch zum Beispiel. Nach einem Treffen mit einem Parteisekretär erzählte mir ein Kubaner einen „grünen Witz“, bei uns wird das grün mit „schweinisch“ übersetzt.
Ich habe ihn bis heute nicht vergessen, den Witz: Auf einem Kongress zum Thema Sex halten mehrere Professoren Vorträge. Die sind sehr theoretisch, so dass das Publikum fast einschläft. Ein Professor merkt das und beginnt, den Zuhörern Fragen zu stellen. „Wer von Ihnen“, fragt er ins Auditorium, „hat einmal in der Woche Sex?“ Hunderte von Armen schnellen nach oben. „Ich!“, „Ich!“, „Ich!“ Die zweite Frage: „Wer von Ihnen hat einmal im Monat Sex?“ Es sind bedeutend weniger, die sich melden. Auf die dritte Frage, „Wer von Ihnen hat nur einmal im Jahr Sex?“, macht sich eine Grabesstille im Saal breit. Nach einigen Sekunden reißt ein Mann in der letzten Reihe den Arm hoch und schreit aus voller Kehle „Ich, ich!!!“. Der Professor wundert sich und fragt: „Wenn Sie nur einmal im Jahr Sex haben, warum sind Sie dann so begeistert?“ Der Mann antwortet: „Weil es heute ist!“ Den Witz werde ich in den drei Wochen in Kuba sicher des Öfteren zum Besten geben.
Aber wenn ich es mir richtig überlege, halte ich vielleicht besser die Klappe. Wenige Tage vor meinem Abflug bekam ich eine Mail von Toni aus Havanna, den ich nach ein paar technischen Informationen wie der Stromspannung auf der Insel gefragt hatte. Er antwortete mit ausschweifenden Infos zu Trinkwasser, Dollarkurs, Reiseversicherung, Führerschein – und Zahnseide. Das Wort stand in Anführungsstrichen und Toni erklärte mir, dass Zahnseide das wichtigste Kleidungsstück im heißen Kuba sei. Ich rieb mir verwundert die Augen und fragte mich, ob die schlechte Versorgungslage schuld daran sei und ob mir die gewachste oder die ungewachste Zahnseide besser stehen würde.
Toni schrieb mir auch, was ich nicht mitbringen soll. Kondome zum Beispiel. Ich überlegte, angesichts dieser prekären Sicherheitslage den Flug zu stornieren. Doch dann las ich, dass Toni mir aus einem triftigen Grund von der Einfuhr von Kondomen abriet. Weil die Verhütung ungewollter Zustände ausgerechnet in Kuba billiger ist als in Deutschland. 15 Centavos kosteten eine Dreierpackung und 27 kubanische Pesos seien ein Dollar. Das ist wirklich geschenkt. Gestern bin ich für drei Wochen nach Havanna geflogen.
Früher dachte ich bei dem Spruch „Patria o Muerte“, dass es in Kuba keinen Kompromiss zwischen Vaterland und Tod gibt. Doch mittlerweile ist aus dem Entweder-oder ein Überlebenskampf geworden, in dem selbst Wörter ihrer ursprünglichen Bedeutung beraubt werden, um sie nicht verschwinden zu lassen: „Zahnseide“ ist die Umschreibung für einen extrem dünnen String-Tanga.
Fragen zu Sex in Kuba? kolumne@taz.de Morgen: Barbara Dribbusch über GERÜCHTE