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Archiv-Artikel

BADEN-WÜRTTEMBERG HILFT SEINER LOBBY GEGEN DIE GESUNDHEITSREFORM Langes Schweigen, blitzschnelle Klage

Baden-Württemberg hat gestern überraschend beim Bundesverfassungsgericht gegen das rot-grüne Beitragssicherungsgesetz geklagt. Mit diesem Gesetz sollen die Beiträge der Krankenkassen mittelfristig stabil gehalten werden, etwa indem Apotheker, Zahntechniker und Pharmagroßhändler Rabatte zugunsten der Kassen gewähren müssen. Baden-Württemberg rügt, dass der Bundesrat dem Gesetz hätte zustimmen müssen.

Überraschend ist die Klage, weil die Stuttgarter Landesregierung diesen Vorwurf vorher nie erhoben hat. Weder als das Gesetz eingebracht wurde, hat man aus Baden-Württemberg einen Aufschrei gehört, noch bei seiner Behandlung im Bundesrat noch im Vermittlungsausschuss noch bei der schließlichen Verabschiedung im Bundestag kurz vor Weihnachten. Und auch von keinem anderen Land oder dem unionsdominierten Bundesrat war bisher Protest zu vernehmen.

Was also ist in Ministerpräsident Teufel gefahren – staatsrechtliche Sorge oder bloße Renitenz gegen rot-grüne Gesundheitspolitik? Die Antwort ist einfacher. Am Freitag fand in Stuttgart ein Spitzengespräch der Landesregierung mit der regionalen Gesundheitsbranche statt. Und alle, die sich vom Beitragssicherungsgesetz in ihren Erwerbsaussichten beeinträchtigt fühlen, waren gekommen. Dabei baten Pharmagroßhändler, Zahntechniker und Apotheker, die bereits Eilanträge gegen das Gesetz gestellt hatten, um Unterstützung. Denn routinemäßig hatten alle drei Gruppen in Karlsruhe auch gerügt, dass der Bundesrat dem Gesetz nicht zugestimmt hat. Dumm nur, fanden die Kläger, dass sich bisher kein einziges Land beschwert hat. Da kann man helfen, sagte wohl Ministerpräsident Teufel und kündigte umgehend eine Klage an, die gestern von den Hausjuristen der Landesregierung fertig gestellt und nach Karlsruhe übersandt wurde. Grund der Eile? Schon am heutigen Dienstag will der Erste Senat intern über die bisher eingebrachten Eilanträge beraten.

So plump das Stuttgarter Eilmanöver daherkommt, so leicht kann es fehlschlagen. Denn es ist nur allzu deutlich, dass sich die Länder – sonst stets auf Wahrung ihrer Interessen erpicht – hier nur im Auftrag von Lobbygruppen empören. Außerdem beschränkt sich die Stuttgarter Klage auf den föderalen Aspekt. Sie ignoriert damit die inhaltlichen Rügen der anderen Betroffenen, dass ihnen nämlich durch die Zwangsrabatte der Ruin und damit irreparable Grundrechtsverletzungen drohten. Diese Vorwürfe fand wohl sogar Erwin Teufel zu dick aufgetragen. In Karlsruhe wird man das sicher zur Kenntnis nehmen. CHRISTIAN RATH