: B WIE BATMAN UND BAHNER
■ Die sowjetische Nachrichtenagentur 'Nowosti‘ über den großzügigen Glasnost-Fan
Noch vor zehn Tagen hat keineR in Moskau etwas von Dietrich Bahner, einem mittelständischen Unternehmer aus Berlin (West), dem Gründer der „Europäischen Friedensinitiative“, gehört. Direkt am russisch-orthodoxen Heiligabend überfiel er wie der heilige Nikolaus (russisch: Bed Moros) samt den von ihm finanzierten 81 Autos, beladen mit Südfrüchten, medizinischen Geräten, Spielzeug und sonstigen Westwaren, die sowjetische Metropole. „Dank und Unterstützung für Gorbi“ heißt das Motto der Aktion, die sich über das ganze Jahr mit weiteren Lieferungen ausdehnen soll.
Nachdem der großzügige Glasnost-Fan den Gutschein im Wert von 1,5 Millionen DM für einen Computertomographen gespendet hatte, wollte er sich immer noch keine Ruhe gönnen. Wie Batman persönlich sauste der sympathische Unternehmergeist anschließend gleich durch mehrere Chefzimmer in Moskau und verteilte recht flott Avancen und Angebote. Er möchte a) investieren, b) Joint-ventures vermitteln oder c) beides zusammen machen. Dem Reisebüro „Intourist“ schlug Bahner vor, an ein Joint-venture im Hotel- und Restaurantbereich zu denken - wobei er „mehr an organische Einheiten denke, also außer Hotels auch Wohnungen für Personal und Freizeitparks zu bauen und Straßen zu legen“.
Beim Ministerium für Außenwirtschaft fragte der tüchtige Geschäftsmann, ob er nicht gleich eine Luxuslimousine Tschaika vom neuesten Typ im Gorki-Autowerk bestellen könnte, am besten in Metallicfarbe und bis zum Wochenende geliefert. Denn schließlich möchte der Vorsitzende der „Europäischen Friedensinitiative“, die bald zur „Deutsch -deutschen Weltfriedensinitiative“ umgewandelt werden soll, den Wagen made in Perestroika-Land fahren. Als man ihn etwas verlegen darauf hinwies, daß Tschaika mangels Nachfrage in der Welt eigentlich nicht auf dem Exportprogramm stünden und sonst nur in schwarz angefertigt werden, aber man wolle da gerne ein gutes Wort einlegen, winkte Bahner schon ab und machte prompt ein weiteres Angebot: bis zu zehn Autowerkstätten als Joint-venture zu bauen.
Der „Mann von der schnellen Truppe“ (so Bahner über sich selbst) schien den sowjetischen Gesprächspartnern wohl doch zu schnell, auch wenn seine attraktiven Äußerungen Einruck machten. Man verblieb zunächst dabei, bald Wunschlisten auszutauschen und in der Sowjetunion konkrete Kontakte zu vermitteln. Aber der Westberliner Millionär, der eine parallele Figur in der russischen Geschichte der Jahrhundertwende hat, nämlich den Textilfabrikanten Sawwa Morosow, der ebenfalls einheimischen Revolutionären groß geholfen hatte, verliert nicht den Mut. Schon in drei bis vier Wochen würde er am liebsten wieder nach Moskau fahren, um konkrete Verhandlungen zu führen. Dann ist Dietrich Bahner in der UdSSR kein Unbekannter mehr, und seine Ausgangsposition, nur solche Geschäfte wären gut, an denen beide Seiten verdienen, wäre eine gute Grundlage.
Dimitri Tultschinski, 'Nowosti‘
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