piwik no script img

AutoverkehrAuf vier Spuren durch den Schlosskeller

Der ADAC wirbt für eine Untertunnelung des Schlossplatzes. Zwei Röhren für Autos sollen den Verkehr durch die Stadtmitte schneller machen. Oben drüber wäre Platz für Fußgängerzone - eine irre Idee.

Zwischen dem künftigen Humboldt-Forum und dem Dom sollen die Berliner autofrei flanieren - sagt ausgerechnet der Autolobbyverein ADAC Bild: AP

Während in der City West seit der Schließung des Breitscheidplatztunnels die Autos wieder oberirdisch rollen, denkt man für die City Ost an neue Tiefenbohrungen. Der Automobilclub ADAC hat am Wochenende angeregt, die Fläche zwischen der Museumsinsel und dem künftigen Humboldt-Forum in eine Fußgängerzone umzugestalten. Dafür soll der Autoverkehr in zwei je zweispurigen Tunneln unter der Erde verschwinden. Die Einfahrt in das riesige Loch könnte im Westen kurz vor der Spree auf der Straße Unter den Linden beginnen, auftauchen würden die Tunnelröhren kurz vor dem Alexanderplatz, sagte der Berliner ADAC-Chef Walter Müller.

Das Ganze sieht der ADAC-Vorstand nicht als vorweihnachtliche Schnapsidee, sondern als ernsthaftes verkehrspolitisches und konjunkturelles Programm. "Es wäre toll", so Müller gegenüber dpa, wenn zwischen dem künftigen Stadtschloss und der Museumsinsel eine Freifläche entstünde. Ein Tunnel in Ost-West-Richtung würde darüber hinaus den Autoverkehr viel besser an den Alexanderplatz anbinden und den "Verkehrsfluss" zwischen den Linden und der Karl-Liebknecht-Straße erleichtern. Ob für die westlichen Tunneleinfahrten das Deutsche Historische Museum oder das Reiterstandbild des Alten Fritz abgerissen werden müsste, ließ Müller offen.

Der Bau des Schlosstunnels könnte nach Ansicht des ADAC zudem helfen, dass die Konjunktur wieder an Fahrt gewinnt. "Unser Vorschlag für ein Konjunkturprogramm heißt: Wir bringen die Straßen und Plätze in Ordnung", betonte der Automobilclub-Chef. Da in den kommenden Jahren die Arbeiten für die geplante U-Bahn-Linie U5 vom Brandenburger Tor zum Alexanderplatz vorgenommen würden, wäre es ein Leichtes, die Möglichkeiten für einen Autotunnel mit zu prüfen. Die Kosten schätzt Müller auf rund 300 Millionen Euro.

Während der CDU-Verkehrsexperte Oliver Friederici den Tunnelvorschlag der Autolobbyisten begrüßte, stößt die Idee in Berlin auf Ablehnung. Die grüne Fraktionsvorsitzende Franziska Eichstädt-Bohlig und der Fahrradbeauftragte des Senats, Benno Koch, lehnten am Sonntag das Konzept ab. "Ich halte von der Idee eines Tunnels gar nichts", sagte Eichstädt-Bohlig. An so einer zentralen Stelle sollten alle Verkehrsteilnehmer einfach besser "aufeinander Rücksicht nehmen", sagte sie.

Die Grünen-Politikerin schlug vor, das Konzept des "Shared Space" zwischen der Museumsinsel und dem Schloss einzuführen. Die Straßen und Wege kämen dort ohne Schilder aus, und die Verkehrsteilnehmer könnten so zu mehr gegenseitiger Rücksichtnahme bewegt werden.

Kritisch beurteilt auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eine derartigen Idee. Ein Autotunnel würde "erhebliche Mehrkosten und einen ungeheuren Planungsaufwand" bedeuten, sagte Manuela Damianakis, Sprecherin der Behörde. Das Land Berlin verfolge keine Pläne für einen Autotunnel zwischen Museumsinsel und Schlossplatz.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • A
    abc

    Bitte erfinde doch irgendwer eine Zeitmaschine und schicke den ADAC mitsamt seiner verkehrspolitischen Vorstellungen zurück in die 1960er Jahre, wo er seine verrückten Ideen voll und ganz ausleben könnte.

    Bis dahin hilft vielleicht ein kleiner Ausflug nach Ludwigshafen, um zu die Folgen solch absurder Vorschläge zu verdeutlichen. Da kann man genau das beobachten: fließender Verkehr, der so sehr fließt, dass Autofahrer gar nicht merken, dass sie gerade eine Stadt durchqueren, eine Fußgängerzone mit dem Charme eines Luftschutzbunkers und der Lebendigkeit eines stillgelegten Friedhofs und gigantische Straßenbahntunnel, die sonntags alle 20 min und nur bis 21.00 Uhr befahren werden. Eine solche Entwicklung wird sich selbst der hartgesottenste Autofahrer in Berlin nicht wünschen, außer natürlich er hat beim ADAC was zu sagen...

    Vielleicht sollte die SenStadt mal eine Fotomontage erstellen lassen, wie sehr die Rampen die Linden bereichern würden, um den "Experten" von ADAC und CDU die städtebaulichen Folgen dieser Idee vor Augen zu führen.

  • M
    mrawel

    Ein ausgemachter Blödsinn und eine kranke Idee, die wohl den verkrusteten verkehrsplanerischen Vorstellungen der 1970er Jahre entspringt.

     

    Was zum Teufel soll an dieser Stelle ein Tunnel? Wenn sich der Bau und darauf bezogene Bauten auf die ganze Stadt gestalterisch bestimmende Achsen beziehen, dann sollten, ja müssen diese Achsen ablesbar sein.

     

    Und bitte: das Rezept kann wohl nur auf eine Verringerung der Zutaten zielen: weniger Straßen, weniger Verkehr, weniger qualmende Rollbüchsen.

     

    Denn nur das wird dauerhaft gewähren, was sich dieses gigantische, als Verein getarnte Wirtschaftsunternehmen vor Dezennien auf die Fahnen schrieb: "Freie Fahrt für alle Bürger".