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Autonomes Zentrum in HamburgRote Flora zurück auf Los

Der Konflikt um die Rote Flora in Hamburg droht wieder heiß zu werden: Der Senat erwägt, das Gebäude zurückzukaufen. Die Besetzer haben vor, "das Projekt zu verteidigen".

Hort der Revolution und Gruselkulisse für Szene-Viertel-Touristen: die \"Rote Flora\" im Hamburger Schanzenviertel. Bild: dpa

HAMBURG taz | Das autonome Kulturzentrum Rote Flora im Schanzenviertel droht, nach fast zehn Jahren Pause, in der Hamburger Politik wieder brisant zu werden. Der jetzige Eigentümer, der Immobilienunternehmer Klausmartin Kretschmer, hat angedeutet, er wolle das seit mehr als 20 Jahren besetzte Gebäude verkaufen - und zwar Gewinn bringend.

Ein für die vergangene Woche geplantes Gespräch zwischen Vertretern der Stadt und Kretschmer über einen Rückkauf kam nach Informationen der Welt am Sonntag nicht zu Stande. Die Besetzer teilten mit: "Wir sind auf eine mögliche Auseinandersetzung um die Rote Flora vorbereitet."

Im Bürgerschaftswahlkampf 2001 hatte der damalige rot-grüne Senat das ehemalige Konzerthaus für umgerechnet gut 180.000 Euro an Kretschmer verkauft. Der versprach: "Ich will den Ort und die Floristen so lassen, wie sie sind." Mit diesem Coup entwand der damalige Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) seinem Herausforderer Ole von Beust (CDU) zwar ein Wahlkampfthema. Genutzt hat es ihm nicht: Von Beust ließ sich von der politischen Eintagsfliege Ronald Schill in den Sattel hieven.

Zwei Jahrzehnte Widerstand

Die Rote Flora steht in einem der Szeneviertel Hamburgs.

Das "Concerthaus Flora", wie es nach seiner Erbauung 1857 hieß, soll 1987 umgebaut werden. Der Impresario Fritz Kurz will darin Andrew Lloyd-Webbers Musical "Phantom der Oper" aufführen.

Proteste stoppen den Umbau 1988, Kurz baut sein Musical-Theater am S-Bahnhof Holstenstraße.

Besetzt wird die Flora zum ersten Mal 1988. Im Jahr darauf schließt die Stadt einen befristeten Überlassungsvertrag mit den Besetzern ab. Seit dessen Auslaufen im Oktober 1989 ist das Gebäude besetzt - und ein Symbol der Gegenkultur in Hamburg.

Verkauft: 2001 veräußert der rot-grüne Senat das Gebäude an den Event-Investor Klausmartin Kretschmer.

Fast zehn Jahre lang war eine Räumung der Flora seitdem kein Thema mehr. Ab März kommenden Jahres allerdings muss sich Kretschmer laut Vertrag nicht mehr mit der Stadt abstimmen, wenn er das Gebäude verkaufen will. Zwar muss es weiterhin als "selbst verwaltetes, gemeinnütziges Stadtteilkulturzentrum" genutzt werden. Ein neuer Eigentümer könnte aber erwägen, den Bau räumen zu lassen. Weder Kretschmer noch der Senat äußerten sich bisher zu möglichen Verhandlungen.

Das Plenum der Roten Flora und die Kampagne "Unverträglich Glücklich" lassen in einer Stellungnahme vom Wochenende keinen Zweifel daran, dass sie nicht kampflos aufgeben werden. "Wir bereiten uns weiter darauf vor, das Projekt zu verteidigen", teilen sie mit. Der Verkauf im Jahre 2001 habe weder das Besitzverhältnis noch den Status quo verändert: "Das Projekt ist besetzt."

Den Rückkauf betrachten die BesetzerInnen als Ende des Versuchs, sich den Konflikt durch eine Privatisierung vom Hals zu schaffen. Damit sei die Auseinandersetzung in die Sphäre des Privateigentums verschoben worden. Aber auch der Bezirk und der Senat seien keine Partner, sondern verantwortlich für "eine Politik von Standortdenken und Marktradikalität auf der einen, von Ausgrenzung, Vertreibung und Repression auf der anderen Seite".

Die Autoren verweisen auf eine Reihe von Konflikten beim Städtebau und der Nutzung der Stadt, an denen sich aktuell der Widerstand entzündet, etwa beim Bau eines Ikea-Möbelhauses im Stadtteil Altona. Dabei lasse sich das grundsätzliche "Recht auf Stadt" - so das gemeinsame Motto der Protestinitiativen - nicht durch Bürgerbeteiligung gewährleisten.

"Die städtischen Partizipationsangebote sind darauf gerichtet, den neoliberalen Umbau der Stadt zu optimieren und Zustimmung zu erzeugen." Stattdessen gehe es darum, "ein anderes Leben denk- und vorstellbar zu machen".

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10 Kommentare

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  • SK
    Stefan @einige Kommentatoren

    "sie kreist um sich selbst und ihren Mythos und sie hat es hingenommen, sich den Laden von jemanden bezahlen zu lassen, dessen Existenz und System sie angeblich verachten."

     

    WAS bezahlt denn der "Besitzer" bitte? Dinge wie Nebenkosten bestimmt nicht. Im übrigen hat der "Besitzer" das Gebäude aus freien Stücken gekauft. Sonst hat er nie irgendwas bezahlt.

     

    "Gerade diese "Protestinitiativen", bestehend aus fundamentalistischen Tagträumern(...)"

     

    Seit wann ist es fundamentalistisch, sich gegen Gentrifizierung und allem was dazugehört zu engagieren?

     

    "geben auf das was der Großteil der Anwohner will einen Scheißdreck."

     

    Soso, da weiß aber jemand genau bescheid, was "die Anwohner" wollen!

     

    "wüsste ich gerne mal, was denn "das Projekt" sein soll. Obdachlose, die komplett unversorgt und unbetreut in ihrem Schimmel auf der Treppe des Gebäudes liegen"

    Tja, wer sich genauer mit den Dingen beschäftigt und nicht nur Bild-Zeitung liest, ist klar im Vorteil und kann ggf. sogar mitreden.

     

    Auf den Beitrag von um 12:21 muss man gar nicht erst eingehen. Traurig, traurig...

    Alles in allem habe ich bei den Zitierten Kommentatoren mal wieder den Eindruck, das sie selbst nie in der Flora gewesen sind, geschweige sich mal mit dem Projekt und seinen Strukturen näher beschäftigt haben.

  • AP
    auch Paulianer

    Paulianer und Never trust the state,

    seht ihr, irgendwie kommt die Botschaft anderer paulianer Linken bei euch nicht an. Ich finde das unten genannte Gegenbeispiel Hafenstraße sehr treffend. Seht ihr den Unterschied zwischen solch einem und dem aktuellen Floramodell? Ich sach: Steinzeit, aber hinter den Ohren noch nich trocken.

  • MK
    Maria Kron

    Weshalb habt Ihr die Option "Leserkommentar schreiben", wenn kein einziger Kommentar veröffentlicht wird? Zensur? Faulheit? Verarsche?

     

    ***Anmerkung der Redaktion: Weil wir über einige sehr umstrittene Reizthemen berichtet haben, schwol die Zahl der Kommentare kurzfristig so an, dass es zu Verzögerungen beim freischalten kam. Wir bitten um Entschuldigung.

  • OU
    OT Uwe

    Äh gibt es diesen Sommer eigentlich noch mal ein Schanzenfest oder eher nicht?

  • NT
    never trust the state

    Die Rote Flora ist nicht nur ein Haus, dass besetzt ist sondern ein Freiraum für Kultur, Kunst und Politik.

    Wer glaubt, dass sich der Widerstand im Falle einer Räumung auf ein paar Demonstrationen in Hamburg beschränken wird, ist schief gewickelt.

    Die Militanten Kämpfe für ein besseres Leben für ALLE müssen konsequent und überall ausgetragen werden wo sich Faschist_innen und Kapitalist_innen dem entgegenstellen. Denn es gibt keinen Fehler im System- Das System ist der Fehler!

    Und es wird keine Ruhe geben bevor nicht das unrecht bezwungen wurde und nicht die Gesellschaft den Kapitalismus und all seine Hintermenschen überwunden hat! ONE STRUGGLE! ONE FIGHT!

  • P
    Paulianer

    Witzig...wie stellen sich das denn die beteiligten vor...die flora räumen und dann ? abriss geht nich...kultur zentrum ist schon drin...

     

    was sagt uns das ? die flora is im besitz von uns allen... der vertrag is doch schon seit der damaligen besetzung uninteressant und wird es auch die nächsten 50 jahre noch sein...

     

    und da sie uns allen gehört werden wir alle auch auf die straße gehn... wenn die stadt hamburg meint sich das noch leisten zukönnen..wochen und monatelang bambule ?

     

    bitte...viel spass, nur denkt daran wir alle werden am ende immer noch in der flora sitzen und über euch da unten lachen ;-)

  • GS
    gemeinnütziges Stadtteilkulturzentrum!!!

    "selbst verwaltetes, gemeinnütziges Stadtteilkulturzentrum"

     

    wenn ich so einen Dreck schon höre... ich wohne fünf Minuten von der Roten Flora entfernt und hab von den "Besetzern" noch nix Gemeinnütziges erlebt. Stattdessen Terrorisierung von Anwohnern und Geschäftsinhabern, Zerstörung von Privat- und Gemeineigentum, bewusste und latent agresssive Abschottung von der übrigen Bevölkerung des Stadtteils, z. B.:

     

    1. Als bei der WM 2006 nach den Spielen der Deutschen Nationalmannschaft im Schanzenviertel gefeiert wurde, stellten sich mit Sturmhaube maskierte und komplett in schwarzer Kampfmontur gekleidete "Besetzer" auf das Dach der Roten Flora, um dem Treiben von oben zuzuschauen und ein bißchen Angst zu verbreiten (die Deutschland-Fähnchen waren für die Gemeinnützigen einfach zu viel)

     

    2. jedes Jahr (z. B. am 1. Mai und zum Schanzenfest) werden von der Roten Flora aus Aktionen geplant, um das Schanzenviertel und dort ansässige Läden (vom Plattenladen bis zur Sparkasse) zu demolieren, Mülltonnen in Brand zu stecken (why!!!), Polizisten anzugreifen. Dieses Jahr hat mans bekannteweise besonders weit getrieben (versuchte Inbrandsetzung einer Bankfiliale, Plünderung eines Drogeriemarktes, an der Ecke Weidenalle/Altonaer Str. wurden u. a. bei einer Bäckerei und einer Apotheke die Scheiben zertrümmert)

     

    3. ich behaupte jetzt mal ganz dreist, dass die Autozündler im Bereich Schanze, Eimsbüttel, St. Pauli (habe zum Glück selbst kein Auto, würde mir hier aber niemals was über Golf III kaufen) ihre "Zentrale" in der Roten Flora haben

     

    Fazit: Diese Linksmachos gehören aus der Roten Flora vertrieben, damit da wirklich wieder was Gemeinnütziges entstehen kann.

  • DK
    ´Dirk Kähler

    Wenn die Autonomen von der Roten Flora meinen, Ihr Projekt verteidigen zu müssen, wüsste ich gerne mal, was denn "das Projekt" sein soll. Obdachlose, die komplett unversorgt und unbetreut in ihrem Schimmel auf der Treppe des Gebäudes liegen, als Projekt zu bezeichnen, halte ich für gewagt. Schon beim "Kampf" um die Rote Flora vor gut 20 Jahren war mir als linkssolidarischer Demonstrant nicht klar, was "Die" wollen und wer "Die" sind. Das war in der Hafenstraße anders, wo ich als solidarischer Nachbar meine Nachtwachen geschoben habe.

    Anders, als die Hafenstraße, hat sich in und aus der Flora nie ein Impuls entwickelt. Auch habe ich von dort nie Signale von Diskurs und Diskussion empfangen.

    Und während die Autonomen der Hafenstraße mit viel Witz und Kreativität auch für ihr Modell geworben haben, konnte ich bei der Roten Flora den Eindruck nicht loswerden, dass sich hier hinter den Denkmantel von "Autonomität" lediglich eine extrem sektirerische Gruppe von Menschen verbirgt, denen der Begriff Verantwortung fremd ist. Nach gut 20 Jahren hätte die Rote Flora ein blühendes Zenmtrum sein können in einem Stadtteil, der heute sein kreatives Potential verliert und zum Spekulationsobjekt wird, wäre das ein passendes Statement gewesen. So isses leider komplett verratzt.

  • V
    Vincent

    Die Selbstgefälligkeit der "Floristen" sucht schon Ihresgleichen und wird sie niemals finden.

    Dieser Satz spricht Bände: "Dabei lasse sich das grundsätzliche "Recht auf Stadt" - so das gemeinsame Motto der Protestinitiativen - nicht durch Bürgerbeteiligung gewährleisten."

    Gerade diese "Protestinitiativen", bestehend aus fundamentalistischen Tagträumern einer nie stattgefundenen und stattfindenwerdenden Revolution, die nur in deren Köpfen und nur unter deren Vorzeichen existiert und den Wunschtraum einer - ihrer - für sie (!) besseren Welt reflektiert, geben auf das was der Großteil der Anwohner will einen Scheißdreck. "Toleranz fordern und Intoleranz leben - das Recht auf ich", so sollte das Motto besser heißen, damit es den wahren Verhältnissen näher käme.

  • K
    Kalle

    Klar, dass die Flora große Töne spucken kann: "Das Projekt ist besetzt." Fakt ist, dass das Projekt nur deshalb nach wie vor besetzt ist, weil ein Kapitalist es mit stätdischen Auflagen gekauft hat und diese Spielwiese bezahlt, ohne bisher viel zu meckern. Nun muckt er also seit einiger Zeit und möchte am liebsten einen anderen Kapitalisten finden, der den Raum weiter für die Flora finanziert oder diese eben räumen lässt. Wieso hat die Flora in den ganzen Jahren nicht ein Mal daran gedacht und gearbeitet, das Gebäude vielleicht in genossenschaftlicher Form oder in irgendeiner Form (Stiftung?)auch offiziell zu übenehmen und sich damit wirklich zu emanzipieren? Was soll so revolutionär daran sein, sich den Freiraum von einem Kapitalisten bezahlen zu lassen und das weit bis ins Erwachsenenalter des Projekts hinein? Was ist so revolutionär daran, jetzt, wo Mami und Papi mal die Nase voll haben und sagen: Schluss jetzt, erwachsen werden! heldenhaft den Laden verteidigen zu wollen gegen das böse System? In meinen Augen ist die Flora zum Scharotzerprojekt verkommen. Sie brüstet sich mit Kampfgeschichte, die schon längst nicht mehr mehr als feiges unsinniges Straßenscharmützel ist. sie kreist um sich selbst und ihren Mythos und sie hat es hingenommen, sich den Laden von jemanden bezahlen zu lassen, dessen Existenz und System sie angeblich verachten.