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Ausstellungsempfehlungen für BerlinBüro-Kunst versus Land Art

Tipps der Woche: Künstlerische Hyperbürokratie in der Laura Mars Gallery und Stones on Fire bei Taik Persons.

Chris Dreier / Gary Farrelly, „OJAI Map West“, 2017 (Ausschnitt) Foto: Courtesy Laura Mars Gallery, Berlin

Das OJAI – Office for Joint Administrative Intelligence, Hort der Postkarten-Korrespondenz und künstlerischen Selbstkatalogisierung von Chris Dreier und Gary Farrelly, gewährt in der Laura Mars Gallery uneingeschränkte Akteneinsicht.

Im OJAI-Archiv, einer Hängeregistratur, sind die Gipfeltreffen der bilateralen Organisation protokolliert, dazwischen schwule Weihnachtsmänner und Fahrtkostenrückerstattungsformulare. Die Besucher_innen selbst erhalten Fragebögen, Anleitungen und Wartenummern. Letztere fungieren bei der Finissage am 26. 3. als Glücksspieleinsatz. Es lebe die Bingo-Bürokratie!

Sortiersucht, Sammelwut, Aufsehertum

Mit Klemmbrett ausgestattet, gerät man in den Sog der Selbstinstitutionalisierung, performt den Datenschnüfflers, der Schreibtische durchwühlt, und dessen bürokratischen Inspektion – ganz kleiner Fisch – von gehäkelten Kameras überwacht wird.

„Crash, Cash!“, schreit es von der neonorangenen Notiz, die in einer der Schreibtischschubladen einsortiert ist. Es geht bei Dreier/Farrelly immer auch um Finanzkrisen und andere Architekturen des Neoliberalismus, so verkünden es zum Beispiel die Mail-Art-Artefakte der postalischen Selbstverwaltung des OJAI mit Sätzen wie „nationalized industry: romantic encounter“. Wenn doch alles so romantisch wäre, wie die bürokratische Verführung.

Zeit + Ort

Laura Mars Gallery

Mi.–Fr., 13–19 Uhr, Sa. 13–15 Uhr, bis 26. 3., Bülowstr. 25

Vortrag „Crash oder Krieg“ von Ernst Wolff über das Weltfinanzsystem: Mi., 1. 3., Beginn 20 Uhr, Einlass 19 Uhr

Wie eine „weltweit repräsentative“ Umfrage OJAIs zeigt, sehen übrigens weniger als 10 Prozent einen Zusammenhang zwischen Ausbeutung und Reichtum. Die Verklärung der sozialen Ungleichheit – noch so ein marmeladensüßes Register der neoliberalen Selbsterklärung.

Eine Illustration der geplanten Autobahn durch das Kreuzberg der 70er erscheint in ähnlich romantisierender Ornamentik, der Wortlaut der Kartierungspunkte aber ist ein zum Kreischen trockener Auszug aus den unterbewussten Registern des Wohlstands: „young people, disgusting“.

The Ring of Fire

Von der kartographierten Großstadt aufs eng umschlungene Land: In der Gruppenausstellung „Marked Sites“ in der Gallery Taik Persons kommt Steinen eine zentrale Rolle zu. Sie sind Teil der Land Art, die hier dokumentiert ist, Träger menschengemachter Stoffe und Markierungselemente. Anna Reivilä, Jaakko Kahilaniemi und Jyrki Parantainen intervenieren dabei nicht, sie „relationieren“.

Reivilä setzt sich mit der Serie „Bond“ zu Felsbrocken auf Wasserflächen und Baumstämmen in Wäldern mit Seil in Beziehung. Sie vollzieht angelehnt an das Bondage-Prinzip des „kinbaku“ die organischen Verläufe der Steine, hält ihre Gegenüber fühlbar in sich zusammen und bringt natürliche Spannungspunkte und Linien in ein minimalistisches Ganzes.

Kahilaniemi zieht es ebenfalls ins Unterholz. Hellblaue Kreise und rote, senkrechte Linien sind bei ihm geometrische Annäherungen an ein geerbtes Stück Wald, das er aus der Ferne fotografiert. Nach Sammelprinzipien nähert er sich dem bewachsenen Land aber auch im Kleinteiligen an, dokumentiert Nadeln, Blätter und Setzlinge. Er will, so sagt es auch der Titel „100 Hectares of Understanding“, sein Erbe „verstehen“ – auch familiengeschichtlich.

Zeit + Ort

Gallery Taik Persons

Di.–Sa. 11–18 Uhr, bis 11. 3., Lindenstr. 34

Reivilä und Kahilaniemi haben an der Helsinki School bei Jyrki Parantainen gelernt. Der Fotograf zeigt hier die Werkgruppe „Earth“. Was auf seinen tiefschwarzen Abbildungen als heller Wasserstaub erscheint, ist tatsächlich per Langzeitbelichtung erfasstes Feuer.

Mal setzt Parantainen also die Felsen selbst in Brand, mal sind sie Kulisse seiner andauernden Auseinandersetzungen mit Licht und Dunkelheit. Für „Earth #5“ schickte er eine einzelne Laterne über eine Flussbiegung. Nach fünf Stunden Belichtungszeit erscheint sie im Bild als hundert leuchtende ­Lichter, die über das Wasser treiben.

Text und Interview erscheinen im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer Donnerstags in der Printausgabe der taz.

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