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AusstellungKnastinsel wird Traumziel

Das Auswandererhaus in Bremerhaven widmet sich Australien und erzählt, wie der Kontinent von der Sträflingskolonie zum Sehnsuchtsort avancierte - an dem Siedler Ureinwohner knechteten.

Immer noch ein beliebtes Ziel für jene, die Freiheit und Abenteuer suchen: Australien. Bild: DPA

BREMEN taz | Erst mal weit weg. Das denken sich heute viele nach dem Schulabschluss. Ein beliebtes Ziel: Australien. Rucksacktouristen gehen den Weg, den schon viele Deutsche vor ihnen gegangen sind. Doch anders als heute, sind die meisten seit Ende des 18. Jahrhunderts nach Australien gereist, um auch dort zu bleiben. Sie hofften auf bessere Arbeit, waren auf der Suche nach Abenteuer und Freiheit, folgten der Spur des Goldes und flüchteten vor politischer Verfolgung. Das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven (DAH) zeigt bis März 2014 eine Sonderausstellung, die sich mit dem Auswandererziel Australien beschäftigt.

Der kleinste Kontinent der Erde ist durch die britische Kolonialzeit vor allem angelsächsisch geprägt. Doch mehr als 900.000 der 22 Millionen Australier gaben laut dem Museum im Jahr 2011 an, deutsche Wurzeln zu besitzen. Das Museum in Bremerhaven zeigt, wie Deutsche von 1788 bis heute nach Australien gekommen sind, wie das Leben dort vor der massiven Einwanderung der Europäer war und wie deutsch das Land heute noch ist.

In den 26 Kapiteln der Ausstellung sollen persönliche Schicksale und Berichte von Auswanderern die historischen Abschnitte veranschaulichen. „Die Ausstellung lebt von den Geschichten einzelner Menschen“, sagt die Direktorin des Museums Simone Eick. Eine Geschichte ist die des Offiziers Arthur Phillip. Phillip wird 1738 als Sohn eines Frankfurter Buchhändlers und einer Engländerin in London geboren. 1787 reist er als Kapitän einer Schiffsflotte im Auftrag der britischen Krone nach Australien. Sein Ziel: nach der Unabhängigkeit Amerikas auf dem Kontinent neue Unterbringungsorte für Gefangene zu erschließen. So errichtet Phillip die erste europäische Siedlung in Australien und leitet bis 1792 am Ufer des heutigen Hafen von Sydney eine britische Sträflingskolonie. Er ist der erste Auswanderer mit deutschen Wurzeln, der das Land bereist.

Viele europäische Siedler, darunter auch Deutsche, kamen erst nach Australien, als Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Goldfunde bekannt wurden. 1823 wurde die Entdeckung von Gold in der Kolonie South Wales noch geheim gehalten, da man einen Aufstand unter den Sträflingen befürchtete. Der nächste Goldfund 1851 wurde jedoch öffentlich und tausende Einwanderer strömten auf den Kontinent in der Hoffnung auf Abenteuer und unermesslichen Reichtum. Später folgten unter anderem deutsche Juden, die vor dem Nationalsozialismus flüchteten. Die meisten der deutschen Auswanderer verschlug es jedoch erst nach dem zweiten Weltkrieg auf den fünften Kontinent, als Deutschland mit mehreren Staaten, darunter auch 1952 Australien, ein Anwerbeabkommen abschloss. Australien suchte vor allem Fachkräfte für die schnell wachsende Industrie und Arbeiter für den Straßen- und Eisenbahnbau. Rund 1,6 Millionen Menschen, darunter 80.000 Deutsche, wanderten damals in das Land ein, um einen Neustart zu wagen und der wirtschaftlich schwierigen Lage der Nachkriegszeit zu entfliehen.

Im Verlauf des 20. Jahrhunderts kehrten jedoch etwa 30 Prozent der Deutschen in die Heimat zurück. „Für einige Auswanderer hat sich der Traum von einem Neuanfang in einem fremden Land nicht erfüllt“, sagt Museumsdirektorin Eick. Andere hätten einfach Sehnsucht nacht der Heimat gehabt. Das sei aus Gesprächen mit Zeitzeugen hervorgegangen. Von denen, die heute immer noch in Australien leben und deren Nachfahren, handelt ein elfminütiger Dokumentarfilm, der ebenfalls im Museum zu sehen ist.

Die Ausstellung setzt sich auch mit dem Schicksal der Ureinwohner Australiens auseinander. Sie waren die Leidtragenden der massiven Einwanderung der Europäer. Die Verbrechen an den Ureinwohnern kommen in der Ausstellung insgesamt aber zu kurz. Die Einwanderer nahmen den Aborigines ihr Land, pferchten sie in Reservate und versuchten ihnen ihren christlichen Glauben aufzuzwängen. Ein Teil der Bevölkerung starb nicht nur an von Einwanderern eingeschleppten Krankheiten, auch wurden Tausende bei gewaltsamen Konflikten mit den Besatzern umgebracht. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden außerdem unzählige Kinder der Aborigines von ihren Eltern getrennt und in weiße Haushalte gegeben. Die australischen Regierungen haben die Verbrechen an den Ureinwohnern nur nach und nach eingeräumt und die Aborigines nur langsam mit den Einwanderern rechtlich gleichgestellt.

Im Zusammenhang mit dem Leid der Aborigines zeigt die Ausstellung im DAH die Geschichte von Amalie Dietrich. Die deutsche Naturforscherin wird 1821 in Sachsen geboren. Als Frau eines Apothekers lernt sie, Pflanzen und Kräuter für Medikamente zu sammeln. Als ihr Mann sie mit der Haushälterin betrügt, verlässt sie ihn und reist 1863 für eine Forschungsreise nach Australien. Rund zehn Jahre verbringt sie dort, sammelt neben Pflanzen, Insekten und Tierskeletten auch menschliche Gebeine und Schädel, sowie die Haut eines Ureinwohners und sendet die Funde an das Museum des Hamburger Kaufmanns Johann Cesar Godeffroy. „In Australien wird ihr vorgeworfen, dafür Aborigines umgebracht zu haben“, erzählt Simone Eick. Diese Vorwürfe konnten jedoch nicht erwiesen werden. Schriften deuten jedoch darauf hin, das Dietrich zumindest versucht hat, Morde an Aborigines in Auftrag zu geben.

„Heute wird Australien immer mehr zum Sehnsuchtsort für Abenteuer und Freiheit“, sagt die Migrationsforscherin Eick. Das Land löse damit vor allem Nordamerika ab. Das zeige auch die Beliebtheit des Reiseziels, vor allem bei jungen Menschen. Die würde das Land unter anderem wegen der weiten und vielfältigen Natur, der immer noch großen Fläche Regenwald, den Kängurus, Koalabären und unzähligen Vogelarten sehr reizen. Der Lebensraum von Tieren und Vögeln wird jedoch unter anderem durch starke Schaf- und Rinderzucht bedroht, die wiederum jungen Abenteurern gute Möglichkeiten zum Jobben bietet: Nach Angaben des Museums sind seit der Jahrtausendwende mehr als 150.000 junge Deutsche mit dem Programm „Work & Travel“ in Australien gewesen.

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