Ausstellung auf Spuren von Alexandre Dumas: Gemalter Kolonialroman
Die Ausstellung "Captain Pamphile" in den Harburger Phoenixhallen begibt sich auf die Spuren von Alexandre Dumas' phantastischem Abenteuerroman - und wirft einige Fragen nach dem Verhältnis von Text und Bild auf. Anregend ist sie auf alle Fälle.
![](https://taz.de/picture/278133/14/Cyber_Pamphile_Ausstellungsansicht_Falckenberg2.20110223-18.jpg)
HAMBURG taz | Die Kunst zeigt sich in den Harburger Phoenixhallen derzeit als ein Abenteuer mit Piraten und wilden Nackten, mit tanzenden Bären und betrügerischen kolonialen Entrepreneurs. Die sinnstiftende Klammer der Ausstellung ist ein knallbuntes historisches Werk von Alexandre Dumas: der irrlichternde, vieles zitierende und plagiatorisch kompilierende Roman "Le Capitaine Pamphile" von 1839.
Die über hundert eigens für die Ausstellung gefertigten Bilder folgen den haarsträubenden Geschichten eines Textes, der nach seiner ersten deutschen Übersetzung 1847 erst vor vier Jahren, 160 Jahre später, in Deutschland eine kurios bewunderte Neuauflage erlebte.
Schon immer gab es in der Privatsammlung Harald Falckenberg in Harburg bedeutende Ausstellungen zu sehen, doch die aktuelle, anglisiert "Captain Pamphile" betitelt, ist der Beginn einer neuen Kooperation: Seit diesem Jahr ist die Sammlung samt fünfstöckigem Harburger Museumsort den städtischen Hamburger Deichtorhallen angeschlossen - für 13 Jahre als befristete Dauerleihgabe.
Malerisch verwischt sind auf die Wand Romanzitate geschrieben, ein fortlaufender Kommentar zu den bunten Bildern. Aber kann das Konzept der Ausstellung wirklich funktionieren? Zwar wird ein ordentlicher Rundgang empfohlen von der ersten Kapitelüberschrift zur nächsten. Aber das ist weder bei der Ausstellung noch bei der Vorlage zwingend.
Denn abgesehen davon, dass Bilder sowieso ein Eigenleben führen, ist schon der Roman von Dumas aus einer Kurzgeschichtensammlung zusammengesetzt, das phantastische Patchwork ist somit für abschweifende Gedanken und wilde Bilder weitgehend offen.
Immerhin wird den BetrachterInnen ein Personalverzeichnis mit auf den Weg gegeben: Am Beginn der Treppenanlage, die die Phoenixhallen dominiert, gibt es von Christian Schwarzwald mit 82 Großporträts ein wandfüllendes Inventar der Romanfiguren - von einer Schildkröte bis zum General.
Die Ausstellung entführt dann in ein jahrmarkthaftes Panoptikum voller vermenschlichter Tiere und vertierter Menschen, mit verzauberten Bildern und gemalten Geldscheinen. Da ist eine gigantische, armeegeschützte Weltenorgel zu sehen, oder es wird auf den dreisten Betrüger Gregor McGregor verwiesen, einer der historischen Vorbilder der Romanfigur, der um 1820 erfolgreich frei erfundene Kolonialländereien verkaufte.
Bei Johannes Spehr geht es feingezeichnet um Kämpfe im modernen Bürodschungel oder in einem coolen Textbild von Wawrzyniec Tokarski um das Konzept des "fair trade".
Das Ganze scheint selbst so zusammengegoogelt wie die Vorlage, dieses alte, schon damals Popart-ähnliche Stück Unterhaltungsliteratur, das eine ebenso eitle wie ausbeuterische Gesellschaft beschreibt. Die allerdings hat durchaus einige Parallelen zur Gegenwart.
Die teils skurrilen Textzitate zeigen sich den Bildern allerdings dahingehend überlegen, dass sie sicher schneller zu rezipieren sind. Und selbst im Ausstellungskatalog wird vermutet, dass ein ganzer Roman als Themenvorgabe zu einer "Wühltisch-Haltung" und nahezu beliebigen Bildern führen könne. Doch solche Freiheit ist durchaus zeitgemäß, und die Vorlage ermöglicht es immerhin, im Meer der Möglichkeiten die Phantasie ein wenig zu fokussieren.
Eine Möglichkeit besteht darin, den Roman auf Aussagen zur Kunst hin zu lesen. So gibt es eine Stelle, an der ein Affe in eine seltsame Beziehung zu Bildern gerät: "alle Nackten waren bis auf die Leinwand abgeschleckt worden", heißt es in der zitierten Textvorlage. Und weiter wird erläutert, der Affe sei weder ein Kunstkenner noch pervers, er liebte bloß das auf den Bildern aufgebrachte Bleiweiß.
Solche Differenzen zwischen dem Dargestellten und dem Medium der Darstellung sind natürlich für Künstler höchst reizvoll - ermöglichen sie es doch, sich ganz beiläufig auf Bildtheorien zu beziehen. Auf den zweiten Blick zeigt sich so, dass die kulinarisch und illustrativ daherkommende Ausstellung durchaus einen theoretischen Anspruch hat: Sie ist ein Versuch über das aktuelle Verhältnis von Bild und Text.
Die Überlegungen zum Text, den die Bilder enthalten oder hervorrufen, weisen über die aktuelle "Captain Pamphile"-Ausstellung hinaus in die angrenzenden Räume und Stockwerke der Phoenixhallen: Dort, wo die dauerhaft eingebauten Großinstallationen von Jonathan Meese, Mike Kelley oder Thomas Hirschhorn stehen, können die Besucher ihre eigenen Geschichten weiterspinnen.
So ist etwa die Installation von Jon Kessler, "The Palace at 4 AM", direkt auf die Sicht zur ehemaligen Harburger Wohnung der 9/11-Attentäter ausgelegt.
Diese insgesamt durchaus anregende Dumas-Ausstellung wirft Fragen auf: Braucht die bildende Kunst die Literatur als Stütze? Ist alle figürliche Malerei immer illustrativ? Ist ein Bild hinreichend gelesen, wenn der Inhalt der Darstellung verstanden wurde? Und sollten sich - entgegen dem Diskurs der Moderne - die malerischen Mittel diesen Inhalten unterordnen?
Auf die Frage, ob die gezeigten Bilder nicht bloß Buchillustrationen seien, sagen die beiden Kuratoren Gunter Reski und Marcus Weber, dass nur wenige der 63 beteiligten Künstlerinnen und Künstler sich nicht hätten einbinden lassen. Schließlich habe der durch und durch phantastische Text alle malerischen Freiheiten gegeben. Wie die Ausstellung zeigt, stimmt das auf jeden Fall.
"Captain Pamphile - Ein Bildroman in Stücken", Deichtorhallen Hamburg - Sammlung Falckenberg, Hamburg-Harburg. Besuch nur mit Führung: Mi 18, Sa 15, So 12 + 14 Uhr, Anmeldung unter 040-32 50 67 62 oder besuch@sammlung-falckenberg.de. Bis 10. April. Katalogbuch im Verlag Philo Fine Arts, 240 Seiten, 25 Euro
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