piwik no script img

Außenminister-BesuchSteinmeier sucht Neuanfang im Irak

Zum ersten Mal seit über zwanzig Jahren besucht ein deutscher Außenminister wieder den Irak. Der Machtwechsel in Washington erleichtert die Wiederannäherung.

Gewappnet: Außenminister Steinmeier bei den Vorbereitungen für den Flug in den Irak. Bild: dpa

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist am Dienst zu einem zweitägigen Besuch im Irak eingetroffen. Es ist der erste Besuch eines deutschen Außenministers seit 1987 und nach dem Blitzbesuch des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy der zweite eines europäischen Politikers innerhalb einer Woche. Wie Frankreich gehörte Deutschland seinerzeit zu den vehementesten Gegnern des amerikanisch geführten Kriegs gegen den Irak und damit den Sturz des Saddam-Regimes. Dies hatte nicht zur Verstimmungen mit den heutigen Mitgliedern der irakischen Regierung, sondern vor allem mit Washington geführt. Insofern wird die Reise zum jetzigen Zeitpunkt auch als Botschaft an den neuen amerikanischen Präsidenten Barack Obama gesehen.

Nach einer Unterredung und einem gemeinsamen Mittagessen mit Staatspräsident Jalal Talabani traf sich Steinmeier mit Ministerpräsident Nuri al-Maliki und seinem irakischen Amtskollegen Hoshyar Zebari. Deutschland wolle ein neues Kapitel aufschlagen und dem Irak bei der politischen Entwicklung und Stabiliserung des Landes die Hand reichen, sagte Steinmeier an einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Zebari. Wie Frankreich will auch Deutschland seine ehemals guten die Wirtschaftsbeziehungen mit dem Irak wieder ausbauen. Dazu eröffnete Steinmeier, der von Abgeordneten und einer kleinen Wirtschaftsdelegation begleitet wird, das "Servicebüro Wirtschaft in Bagdad". Die Erwartungen von irakischen Wirtschaftsfachleuten sind hoch. "Der Irak muss bei allem bei Null beginnen", sagte Akil al-Saffar, einer der führenden Volkswirte des Landes gegenüber der taz. "Wir brauchen deutsche Technologie und deutsches Know-how. Deutsche Firmen sollten sich diese goldene Gelegenheit nicht entgehen lassen." Steinmeier, der von Bagdad hauptsächlich Straßen mit Sprengschutzwänden und die hochgesicherten Regierungssitze zu sehen bekam, ließ sich in diesem Punkt jedoch nicht zu überzogenem Optimismus hinreißen. Der Irak sei einen großen Schritt vorangekommen, aber er habe offene und ehrliche Gespräche geführt, ohne etwas zu beschönigen, sagte Steinmeier. Auch in Bagdad gebe es weiterhin unsichere Gegenden.

Mit Genugtuung registrierte man auf kurdischer Seite, dass Steinmeier von Bagdad nach Erbil fliegen wird, um dort ein deutsches Konsulat zu eröffnen. Steinmeier kündigte an, dass Deutschland die Zusammenarbeit in Bildung und Kultur intensiveren will. Dazu unterzeichneten beide Seiten ein Rahmenabkommen, dass irakischen Akademikern die Fortbildung an deutschen Universitäten ermöglichen soll. Zudem will Berlin die traditionelle Zusammenarbeit im Museumswesen und der Archäologie wieder beleben. Darüber hinaus kündigte Steinmeier Finanzspritzen für die Uno bei der Richterausbildung und der Aussöhnung zwischen den Ethnien an. Dazu wollte sich Steinmeier auch mit Vertretern der irakischen Christen treffen.

Für den Irak bedeutet die Visite von Steinmeier einen weiteren Schritt aus der Isolation. In den nächsten Wochen stünden weitere hochrangige Besuche an, sagte Zebari. Dies sei ein Beweis für die Entwicklung und die Stablisierung des Landes.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!