Ausreisverbot für Schriftsteller: Asia-Wochen fehlt chinesische Würze
Die Asien-Pazifik-Wochen müssen auf den kritischen Autor Liao Yiwu verzichten, weil China ihn nicht reisen lässt. Klaus Wowereit kritisiert Peking. Nicht deutlich genug, finden die Grünen.
Peking lässt einen Gast der derzeit stattfindenden Asien-Pazifik-Wochen nicht ausreisen. Am Sonnabend sollte der chinesische Autor Liao Yiwu an einer Podiumsdiskussion im Haus der Kulturen der Welt zum Thema "Writing China" über die Situation von Autoren im Reich der Mitte reden. Nach Angaben des 51-jährigen Autors, der auch eine Einladung der Frankfurter Buchmesse hat, hatte ihm die chinesische Staatssicherheit die Ausreise aus China untersagt.
Liao Yiwu wurde erstmals 1990 inhaftiert, als er an einem Film über das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 gearbeitet hatte. Seitdem hat er in China zwei weitere Haftstrafen wegen seiner publizistischen Tätigkeit absitzen müssen. In deutscher Sprache erschien in diesem Jahr im Fischer-Verlag sein Sammelband "Fräulein Hallo und der Bauernkaiser".
Yiwu lässt in seinem literarischen Werk Vertreter der untersten sozialen Schichten wie Rikschafahrer, Kloomänner, Prostituierte und politische Abweichler zu Wort kommen, deren Existenz vom offiziellen China geleugnet wird. Die Veranstaltung, für die Liao Yuwi geladen ist, findet im Rahmen der Asien-Pazifik-Wochen statt. Koordiniert werden die Weranstaltungreihe, die der Verbindung Berlins und Brandenburgs zur Boomregion Fernost dienen sollen, von der Senatskanzlei.
"Ich denke, dass im Zeitalter von Globalisierung und international anerkannten Menschenrechten Maßnahmen der Ausreisebeschränkung eigentlich überholt sein sollten", kritisierte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) das Reiseverbot gegenüber der taz. "Ich halte es für selbstverständlich, dass Gäste der Asien-Pazifik-Wochen von ihren Heimatstaaten auch die Ausreisegenehmigung bekommen."
Noch deutlicher wird der Intendant des Hauses der Kulturen der Welt, Bernd Schirmer. Er zeigt sich "erschüttert" von der Ausreiseverweigerung. "Wir haben Liao Yiwu gemeinsam mit anderen Schriftstellern nach Berlin eingeladen, um unterschiedliche Innen- und Außenperspektiven auf China ins Gespräch zu bringen." Liao Yiwu lasse in seinen Werken Akteure der chinesischen Gesellschaft zu Wort kommen, die normalerweise keine Stimme haben, sagte Schirmer. "Wir bedauern sehr, dass der chinesische Staat vermeiden will, dass wir die Realität der Volksrepublik China in ihrer Komplexität abbilden." Gemeinsam mit der Frankfurter Buchmesse versucht sein Haus noch immer, eine Ausreise des Autoren zu ermöglichen. Es gäbe jedoch keinerlei Signale, dass dies noch in letzter Minute gelingen könne, heißt es im Haus der Kulturen der Welt. Für die chinesische Journalistin Lea Zhou, die in Berlin lebt und der Peking seit Jahren die Einreise nach China verweigert, zeigt der Schritt die Angst des chinesischen Regimes vor der Realität. "Zu ihrer Außendarstellung sollen in riesigen PR-Shows der gewalige Wirtschaftsboom und die Wolkenkratzer gehören. Menschen der Unterschicht, die Liao Yiwu zu Wort kommen lässt, werden dabei ausgeblendet."
Für die Grüne Kulturpolitikerin Alice Ströver ist die Kritik des Regierenden Bürgermeisters zu zögerlich: "Er muss Peking gegenüber in die Offensive gehen und dort klar machen, dass Kulturaustausch zu guten Wirtschafstbeziehungen dazu gehört." Ströver bemängelt auch den ihrer Meinung nach zu wirtschaftszentrierten Ansatz der Asien-Pazifik-Wochen. "Die Landesregierung arbeitet hier vor allem mit den Botschaften der asiatischen Staaten und mit Firmen zusammen. Das kann aber nur eine Seite der Medaille sein. Bei diesen Partnern ist das Interesse an kritischer Kultur oft kaum vorhanden." MARINA MAI
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