"Auslander raus"-Sprechchöre: Bürgermeister verharmlost Hassparolen
Nach der Hetzjagd auf Inder in Mügeln gerät Bürgermeister Deuse selbst in die Kritik. Ausländerfeindliche Parolen könnten "jedem mal über die Lippen kommen", sagte er in einem Interview.
MÜGELN taz/ap Der Mügelner Bürgermeister Gotthard Deuse hat die rechtsextremistischen Sprechchöre in seiner Stadt relativiert und damit Empörung ausgelöst. Auf die "Ausländer-raus"-Rufe während der Hetzjagd auf acht Inder angesprochen, sagte Deuse der "Financial Times Deutschland": "Solche Parolen können jedem mal über die Lippen kommen."
Auf Anfrage der Nachrichtenagentur ap wollte sich der FDP-Politiker am Mittwoch nicht von dieser Äußerung distanzieren, fügte aber in Anspielung auf die Ausschreitungen hinzu: "Jedem, der so was vor hat, kann das über die Lippen kommen." Rechte Gesinnung als Hintergrund des Angriffs schloss Deuse nicht aus. Auf keinen Fall sei die Hetzjagd aber organisiert gewesen. Der Bürgermeister bestätigte, dass es im rund 35 Kilometer entfernten Schildau eine rechtsextremistische Kameradschaft gebe. Die Verhältnisse dort ließen sich aber nicht auf Mügeln übertragen.
In seiner Stadt gebe es aber keinen Rechtsextremismus, versicherte Deuse. Die Einwohner seien ausländerfreundlich und wollten mit den Ausländern zusammen leben. Er selbst habe eines der Opfer vom Wochenende im Krankenhaus besucht und auch dem indischen Inhaber der beschädigten Pizzeria in Mügeln seine Unterstützung zugesichert, betonte der Bürgermeister.
Deuses Äußerungen lösten bei den sächsischen Grünen scharfe Kritik aus. Die Grünen-Fraktionschefin im Landtag, Antje Hermenau, sagte: "Ich bin entsetzt. Diese Äußerung von Deuse macht Rassismus salonfähig. Ausländerfeindliche Parolen können und dürfen eben gerade nicht jedem über die Lippen kommen". Wer die politische Sachlage derart verkenne, verfehle sein Amt.
Für die Einschätzung der Geschehnisse in Mügeln sei es im übrigen völlig unerheblich, ob ein Deutscher oder ein Inder zuerst gerempelt habe, sagte die Grünen-Politikerin. Entscheidend sei, dass in diesem Fall acht Inder vom Mob durch die Stadt gejagt und brutal zusammengeschlagen worden seien, sagte Hermenau.
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