■ Ausländerlobby am Gängelband: „Frankfurts Babylon“
Das moderne Babylon hat in der Mainmetropole Frankfurt einen schönfärberisch-intellekuellen Namen: Amt für multikulturelle Angelegenheiten, abgekürzt AMKA. Über Frankfurts Grenzen hinaus bekannt ist diese Institution, weil ein Mann sie immer wieder hoffähig macht, der selbst als Produkt babylonischer Verhältnisse gelten kann: Daniel Cohn-Bendit, Sohn einer jüdischen Familie aus Deutschland, Ex-Revoluzzer, Ex- Kommunist, Ex-Studentenführer und nun Lobbyist für die Sache der Ausländer. Migranten, sagt man heute in kultivierteren Kreisen. An der politischen Bevormundung der Betroffenen ändert dies herzlich wenig.
Genausowenig wie das vom Medien-Guru Daniel Cohn- Bendit erstrittene, neue Amt. Aber es wird als das „Frankfurter Modell“ gepriesen und publizistisch ebenso gefeiert wie ausgeschlachtet. Warum, weiß keiner so recht. Man kennt eben den Cohn-Bendit. Er ist nach langem Kampf gegen die Institutionen selber ein Teil von ihnen geworden. Das reicht offensichtlich, um das AMKA gut zu finden.
Ohne die One-Man-Show des grüngebleichten „roten Dany“ wäre das AMKA längst in der Versenkung verschwunden. Dany der Fahrradrowdy (Bild-Zeitung). Dany der Minister-Beleidiger (FAZ). Dany der Verrückte, der mit den Reps reden will (taz). Das AMKA wird unter ferner liefen erwähnt. Für die Medien bliebe es ohne den everybody's darling ein beliebiges ausländerfreundliches Projekt einer Stadt, die heftig um Image- Werbung (auf großformatigen Plakaten steht in mißglückten Stilblüten neuerdings „Toleranz/Main“, „Menschlichkeit/ Main“) bemüht ist.
Die Verpackung verspricht, wie so oft, weit mehr, als der Inhalt hergibt. Von Datenschutz bis „multikultureller Urbanismus“ (Motto: Ausländerwohnblocks – ja oder nein?), die Aktivitäten des AMKA waren zahlreich, die in die Tat umgesetzten Ideen und Theorien dünn. Entweder waren sie des fehlenden Geldes wegen von der Stadt nicht zu verwirklichen, oder sie stießen im SPD-beherrschten rot-grünen Magistrat auf wenig Gegenliebe. Der in den 161 Seiten aufgeführte Rest ausländerfreundlicher Heldentaten bewegt sich im bekannten Rahmen sozialpädagogischen Bemutterns: interreligiöser Dialog, Arbeitskreis Migrantinnen, Asyl im Jahre 2000, KAV (Kommunale Ausländervertretung: von den Frankfurter Nichtdeutschen demokratisch gewählter Ausländerbeirat) sind die zugkräftigen Schlagworte für alte Konzepte.
Trotzdem, von einem „Meilenstein in der Ausländerpolitik“ spricht man in den Räumen der Grünen in der Frankfurter Barckhausstraße gern. Am Eingang steht sinnig: „Lieber Multikultur statt Monokultur“. Recht haben sie, die 13 AMKA-Mitarbeiter. Nur, welchen konkreten Beitrag ihr Amt dazu bisher geleistet hat, weiß kaum jemand in der Mainmetropole so richtig zu beantworten.
Welche Verdienste sich das AMKA erworben hat, läßt sich in der Tat schwer ausmachen. Gewiß, „Multikulti“ ist zum Allerweltsbegriff geworden. Dany sei Dank. Die kommunale Integrationspolitik des AMKA beschränkt sich jedoch vorwiegend in der ständigen Vermittlung zwischen Verwaltung und Bürgern ohne deutschen Paß. Dies geschieht unverbindlich und auf der Basis von Nullkompetenzen. Das heißt: Will sie praktische Hilfe leisten, ist die Behörde bis in die kleinsten Details bei Auseinandersetzungen zwischen städtischen Ämtern und Ausländern auf die Zusammenarbeit dieser anderen Institutionen angewiesen. Die spielen oft aber nur zähneknirschend mit. Denn bei Entscheidungen und Weichenstellungen der Stadt muß das AMKA nicht, es kann konsultiert werden!
Haargenau das leisten Ausländerbeauftragte als schlechtes Gewissen regionaler und Bundespolitik unkomplizierter und billiger. Beispiel Cornelia Schmalz-Jacobsen, die Alibi-Beauftragte der Bundesregierung für die Integration der Ausländer. Ihr stehen jährlich 400.000 Mark zur Verfügung. Dem AMKA, das sich um nur etwa 150.000 Ausländer kümmern muß statt der circa sechs Millionen im gesamten Bundesgebiet, bekommt satte zwei Millionen.
Nein, überflüssig ist die Arbeit des AMKA nicht, aber sie hängt am Gängelband der rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen, die auch in Frankfurt nicht anders sind als in Bonn, in Berlin oder Köln. Frankfurts Babylon wird aus diesem Grund lange nicht zur Heimat Babylon, die sich Daniel Cohn- Bendit in seinem jüngst erschienenen Buch gleichen Namens erträumt. Solange das AMKA keine erweiterten Mitspracherechte im Verwaltungsablauf der Stadt bekommt, so lange ist die Heimat Babylon in weiter Ferne. Das Amt sei noch nicht „stabilisiert“, räumt Cohn-Bendit ein.
Von Bertolt Brecht stammt das Zitat: „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ Geschmückt mit zwei roten Sternen auf Umweltpapier, hängt dieser Spruch in großen Lettern im Sitzungszimmer des AMKA in Frankfurt. Brecht konnte nicht ahnen, daß sein Zitat einmal hier an die Wand genagelt würde. Würde er noch leben, hätte der große deutsche Dramatiker, Publizist und überzeugte Linke vielleicht hinzugefügt: „Wer nicht mit den richtigen Mitteln kämpft, dem ist nicht mehr zu helfen.“ Franco Foraci
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