Auskunftsanspruch für Musikindustrie: Heikle Tauschbörsen
Die Musik- und Filmindustrie kann künftig effizienter gegen illegale Downloads aus dem Internet vorgehen. Der Bundestag gibt der Industrie Auskunftsansprüche per Gesetz.
BERLIN taz Die Musik- und Filmindustrie kann künftig effizienter gegen illegale Downloads aus dem Internet vorgehen. Ein Gesetz, das am heutigen Freitag im Bundestag beschlossen wird, gibt den Firmen erstmals direkte Auskunftsansprüche gegenüber Internet-Providern über die Daten von deren Kunden, insbesondere die Nutzer von Musik- und Filmtauschbörsen.
Das Gesetz soll vor allem den Opfern von Produktpiraterie helfen, ihre Ansprüche auf Schadensersatz und Unterlassung besser durchzusetzen. Der Kern des Gesetzes war auch nicht umstritten: Wer Handtaschen oder Pillen nachmacht, hat im Bundestag keine Freunde. Heiß umkämpft war aber, ob die neuen Prozesserleichterungen auch Jugendliche treffen sollen, die sich einen Großteil ihres Musikbedarfs aus illegalen Musiktauschbörsen im Internet besorgen.
Wenn die Musikindustrie feststellt, dass mit einer bestimmten IP-Adresse illegal Musik angeboten oder heruntergeladen wurde, dann will sie von den Providern wie T-Online erfahren, auf wessen Namen der Anschluss gemeldet ist und wo die Person wohnt. Mit diesen Daten kann sie dann Schadensersatz einklagen.
Nach langen Verhandlungen hat die große Koalition jetzt einen Kompromiss gefunden. Der Auskunftsanspruch soll sich auf Fälle von "gewerblichem Ausmaß" beschränken, so die geplante Formulierung von Paragraph 101 Urheberrechtsgesetz. Als gewerblich gilt die Nutzung von Tauschbörsen aber nicht nur bei häufiger Nutzung, sondern auch wenn im Einzelfall besonders schwerer Schaden entsteht, etwa weil ein Film oder eine CD kurz vor oder nach der Veröffentlichung zum Download angeboten wird. Erforderlich ist auch nicht, dass jemand mit illegalen Downloads Geld verdient, es genügt, dass er einen "geldwerten Vorteil" hat, weil er keine CD oder DVD kaufen muss.
Grünen und Linken geht der Auskunftsanspruch zu weit. Sie stimmten am Mittwoch im Rechtsausschuss gegen das Gesetz. Der Grünen-Abgeordnete Jerzy Montag sprach von einem "Kotau vor der Musikindustrie". Diese jedoch kritisierte, der Kompromiss erschwere die Durchsetzung der Urheberrechte "in unerträglicher Weise". Erst die Auslegung der Gerichte wird zeigen, ob auch die Daten von jugendlichen Durchschnitts-Downloadern offengelegt werden müssen. Die Nutzerdaten dürfen jedenfalls nur auf richterlichen Beschluss herausgegeben werden. Nutzbar sind dabei auch nur IP-Adressen, die bei den Providern zu Abrechnungszwecken vorliegen. Die neu eingeführte Vorratsdatenspeicherung spielt keine Rolle.
Bisher half sich die Musikindustrie, indem sie Strafanzeige "gegen unbekannt" stellte. Die Staatsanwaltschaft hat dann die Daten der Downloader ermittelt, die Musikindustrie beantragte Akteneinsicht und nutzte die Daten für Schadensersatzklagen. Meist mussten die Betroffenen einige tausend Euro zahlen. Dieser Umweg über Strafverfahren ist durch das neue Gesetz nicht verbaut. Allerdings haben sich in den letzten Monaten mehrere Staatsanwaltschaften geweigert, an diesem Trick mitzuwirken.
CHRISTIAN RATH
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