Ausgehen und rumstehen von Thomas Mauch: Kitsch multipliziert mit Kitsch ergibt Überwältigungsrock
Das war schon mal ein hübscher Empfang, am Sonntagabend im Admiralspalast. Ein netter akustischer Gruß: Vogelgezwitscher war da zu hören, ab und zu krähte ein Hahn, eine Ziege meckerte, die Pferde wieherten … wo man ansonsten in der Wartezone vor dem Konzertbeginn mit irgendwelcher Musik bedudelt wird, durfte man diesmal mit den Ohren Ferien auf dem Bauernhof machen.
Nur die Menschen, die im unbestuhlten Saal herumstanden, wollten nicht so ganz zu dieser Hofatmosphäre passen. Die allermeisten ließen nämlich ihren Willen erkennen, sich doch dem eigentlichen Anlass entsprechend in Schale zu werfen. Schwarz also musste es mindestens sein. Leder optional.
Einigermaßen irritierend wirkte in diesem Umfeld der vereinzelte bunt geringelte Männerpullover. Noch nicht einmal als trotzige Ansage wollte man den sehen. Eher so, als hätte er sich samt seinem Träger ganz zufällig in dieses Konzert verirrt.
Weil an diesem Abend doch immerhin Laibach spielten. Und Laibach und bunt, das passt irgendwie nicht so zusammen.
Aber nun ist es halt so, dass der Bob Dylan schon recht hat und die Zeiten sich eben immerfort ändern – was nicht heißt, dass Laibach nun farbenfrohe Klamotten auf der Bühne tragen würden, die Musik allerdings, die sie im Angebot hatten, war allemal poppig bunt.
Vorgestellt wurde das neue Laibach-Album „The Sound of Music“, ein weiteres Echo des mittlerweile bereits legendär zu nennenden Auftritts der musikalischen Totalitarismusexperten aus Slowenien in Nordkorea, dem Musterländle des Totalitären. Das war im Jahr 2015. Gespielt wurden dort vor allem Lieder aus „The Sound of Music“ – eine strategische Wahl, weil dieses Musical von Richard Rodgers und Oscar Hammerstein in Nordkorea wohl besonders geschätzt wird.
Wie bereits beim Album wurde auf der Bühne – dem üblichen Laibach-Konzept der Überaffirmation folgend – der musikalische Pomp der Vorlage noch einmal ein bisschen weiter aufgeblasen. Kitsch wurde mit Kitsch multipliziert. So tapfer stapfte die Band durch den Schlonz des US-Musicals, dass man sich nicht mehr wundern würde, wenn sie Slowenien als Kandidaten für den nächsten Eurovision Song Contest nominieren würde.
Die wie stets kultursatt und anspielungsreich gestalteten Videos zu den „Sound of Music“-Liedern nahmen einen zwar wenigstens in die visuelle Zwickmühle. Der eigentliche Spaß für Laibach-Fans aber ist doch eher, mal wieder ordentlich vom malmenden Stiefelschritt der Band getreten zu werden.
Was im zweiten Teil des Konzertes von den slowenischen Überwältigungsrockern auch erledigt wurde. Jetzt coverten Laibach also Laibach, nichts mehr war mit den Pastellfarben und Pop, jetzt regierte wieder das dunkle Schwarz. Aus dem Frühwerk wurde der mit Pathos vollgepumpte und mit derlei Merksätzen wie „Wir schmieden die Zukunft“ und „Tod für Tod“ versehene Industrialrock auf die Bühne gehievt, mit dem sich die Band einst in den Frühachtzigern ihren Ruf als Überwältigungsrocker hart erarbeitet hatte.
Da war das Mühen um „The Sound of Music“, vom Publikum eher respektvoll applaudiert, fast schon vergessen, jetzt warf man sich jubelnd in die Stahlgewitter des laibachschen Wummerns. Gerade weil da nichts wirklich Neues zu hören war bei dieser Exegese der grimmigen alten Zeiten.
Im Zugabenteil zauberten Laibach sogar noch „Sympathy for the Devil“ aus ihrer Mottenkiste. Ein echter Trumpf, weil halt der olle Stones-Klassiker in der groovy funky Stampfversion von Laibach wirklich immer knallt.
Und knallen, das sollte so ein Laibach-Konzert im besseren Fall dann doch.
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