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Ausgehen und rumstehen von Stephanie GrimmKaltes klares Wasser mit hohem Unterhaltungswert

Eigentlich halte ich 2G für einen gute Sache. Kürzlich beim 2G-Konzert von Squid im SO36 – ohne Masken und Abstand – war es auch gleich viel toller als erwartet. Kein Wunder – mein erstes „richtiges“ Konzert seit Langem. Wobei ich die junge Postpunk-Band aus Brighton wohl auch in anderen Zeiten großartig gefunden hätte – mit ihrer Dramaturgie, die das entwöhnte Publikum sanft bei der Hand nahm: Luftigkeit und Wucht, Experiment und Struktur, alles in der Musik dabei.

Am nächsten Tag steht dann überall, am ersten Berghain-Wochenende hätte sich ein ganzer Haufen Leute mit Corona angesteckt. Erwartbar war das wohl. Die Berliner Clubcommission bemüht sich, die Sache entsprechend zu framen: als Teil der neuen Normalität. Das Risiko, mit dem man jetzt eben leben muss. Kann man so sehen. Kriegen will ich die Seuche trotzdem nicht; Corona ist auch für Geimpfte etwas anderes als eine Grippe. Selbst wenn das Risiko damit deutlich schrumpft, auf der Intensivstation zu landen, bleiben Unwägbarkeiten, mögliche Langzeitfolgen nach einer Infektion.

Deshalb gleich wieder in den privaten Lockdown gehen? Auch nicht attraktiv. Ausgehen mit angezogener Handbremse? Die neue Realität heißt wohl abwägen, von Situation zu Situation – auch wenn das zumindest für Veranstalter sicher nicht toll klingt.

Der englische Freund, selbst nicht der Jüngste, bemerkte unlängst, dass der Altersschnitt des hiesigen Ausgehpublikums deutlich höher ist, als er das gewöhnt ist. „Berlin looks as if only people over 35 are allowed into gigs.“ Eine ebenfalls auf der Insel lebende Freundin hatte unlängst Ähnliches festgestellt – wie angenehm es sei, dass man mit Ende 40 nicht immer die Älteste im Raum sei. Zumindest unter pandemischen Gesichtspunkten ist das damit einhergehende, etwas gedimmte Enthusiasmus-Level vermutlich eine gute Sache. Und so körperbetont wie im Berghain geht es schließlich nicht überall zu.

Überschaubar scheint die Situation am Freitag im Silent Green, beim Mini-Festival „M_Dokumente“. Dort werden nicht nur die drei wegweisenden Westberlin-Bands – Mania D, Matador und Malaria! – gefeiert, sondern zudem ein Buch-und Album-Release um dieses Subkultur-Konglomerat der späten 1970er und frühen 1980er Jahre. Hier gilt 3G, Leute tragen Masken, wenn sie nicht auf ihrem Platz sitzen. Zumindest am Freitag – obwohl sich eine nächste Generation von Musikerinnen, Midori Hirano, Natalie Beridze, Pilocka Krach, Anika und Islaja, zu einer Allstar-Tribute-Band zusammengetan hat, fühlt man sich ein bisschen wie im Museum. Als es schön achtzigermäßig heißt „Die Welt wird untergehen – komm, Darling, lass uns tanzen gehen“, wacht das Publikum noch mal auf. Bereits um kurz nach neun ist der Spaß vorbei.

Am nächsten Abend, auf dem Programm stehen „40 Jahre Malaria“, geht es ausgelassener zu – wie bei einem Klassentreffen, auf das tatsächlich mal alle Bock haben. Chicks On Speed, die mit der Coverversion des Malaria!-Burners „Kaltes Klares Wasser“ einen Hit landeten, heizen ein. Dann gibt die Originalbesetzung als „Die Mücken“ ihr eigenes Tribut, was hohen Unterhaltungswert hat. Doch auch dieser Abend ist früh vorbei.

Am Sonntag wird im Olympiabad abgebadet, nachdem am Freitag das Prinzenbad letztmalig offen hatte. Trotz schauderlichstem Wetter waren alle üblichen Verdächtigen da. Obwohl mir schien, als hätten einige von ihnen Kreuzberg noch nie verlassen, tauchen sie nun zur letzten Schicht im Olympiabad auf. Eigentlich möchte ich den ganzen Winter genau so ausgehen: unter Flutlicht vor absurder Kulisse im kuschelig geheizten Becken dümpeln. Immerhin ist erst um 21 Uhr Schluss.

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