■ Ausgegrenzt?: Falscher Vorwurf
Die Behauptung der Regierung Jelzin, durch ein „geheimes Memorandum“ zwischen Nato und UNO vom 10. August dieses Jahres über die Luftangriffe auf die Karadžić-Serben sei Rußland im Sicherheitsrat hintergangen worden, ist falsch. Hinter diesem Vorwurf aus Moskau verbirgt sich der Ärger über die Fehler der eigenen Diplomatie.
Die Weichen für die Luftangriffe wurden 1993 gestellt, als der UNO-Sicherheitsrat der Nato das Mandat für den Einsatz ihrer Luftstreitkräfte über Bosnien erteilte – mit Zustimmung des russischen Botschafters. Alle weiteren Entscheidungen betrafen dann nur noch die Modalitäten der Luftwaffeneinsätze. Auch hier stimmte Moskaus Botschafter jedesmal mit Ja.
Auf der Londoner Bosnien-Konferenz vom 22. Juli forderten die vier westlichen Mitglieder des Sicherheitsrates und der „Kontaktgruppe“ (USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland), das bisherige Zwei- Schlüssel-Befehlssystem zwischen UNO und Nato durch weitgehende „Ausschaltung“ der politischen Führungsebene der UNO zu „vereinfachen“. Sie plädierten für Luftangriffe zur Verteidigung der verbliebenen UNO-Schutzzonen. Intern äußerte Außenminister Andrej Kosyrew zwar Bedenken – als aber verlautbart wurde, die Kontaktgruppenstaaten seien sich einig, widersprach Moskau nicht.
Die „Vereinfachungs“- Verhandlungen zwischen UNO und Nato endeten in einer Vereinbarung, die am 10. August vom Unprofor- Oberkommandierenden General Bernard Janvier und dem für Bosnien zuständigen Nato-Oberbefehlshaber General Leigton Smith unterzeichnet wurde. Tags drauf wurde der Sicherheitsrat über dieses jetzt von Moskau hochgespielte „Memorandum“ informiert, erhielt aus Geheimhaltungsgründen aber nicht den Wortlaut vorgelegt. Auch gegen dieses Verfahren erhob Rußlands UNO-Botschafter keine Einwände.Andreas Zumach, Genf
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