Ausbau: Millionenspritze für Geisterflughafen
Gegen ihre Überzeugung wollen SPD, Grüne und Linke wegen eines Bürgerentscheids den Lübecker Flughafen ausbauen, obwohl Ryanair seinen Abschied einläutet und das Projekt den städtischen Haushalt ruiniert.
Wer Sascha Luetkens Verlautbarung zum Ausbau des Lübecker Flughafens liest, der muss befürchten, der Mann sei schizophren. "Wirtschaftlicher Unsinn", und "völlig überflüssig", so glaubt der Kreisvorsitzende der Lübecker Linken, sei der geplante Ausbau, "vier Millionen Euro" würden "völlig sinnentleert in die Pampa gesetzt". Am Ende dieser Analyse verspricht Luetkens, seine Fraktion werde die "Geldverbrennung" durch den Ausbau des Flughafens aktiv mit vorantreiben.
Der Grund für die absurde Schlussfolgerung: Ein Bürgerbegehren hatte im vergangenen April eine Zweidrittelmehrheit für die Erweiterung des Flughafens Blankensee erbracht und dieses Votum werde die Linke nun achten und umsetzen, egal ob der Airport "dann geschlossen wird oder nicht".
Politik im Zeitalter der direkten Demokratie. Wie die Linke, treiben auch SPD und Grüne in Lübeck die Flughafenerweiterung voran, obwohl sie glauben, nicht nur eine Investitionsruine zu produzieren, sondern dadurch auch noch den städtischen Haushalt zu ruinieren. Erst vergangene Woche stimmte die Ratsversammlung der Hansestadt der Freigabe von vier Millionen Euro für die erste Ausbaustufe zu.
Von Lübeck aus fliegt Ryanair im Winterhalbjahr die Flughäfen London-Stansted, Mailand-Bergamo, Pisa und Stockholm-Skavsta an. Daneben verkehrt noch die Linie "Wizz Air" nach Danzig und Kiew- Borispol.
Gestrichen wurden ab November bereits die Ryanair-Verbindungen nach Barcelona-Girona, Alicante, Faro, Edinburgh und Palma de Mallorca.
Auf 697.500 Passagiere brachte es der 1917 erbaute Verkehrsflughafen 2009; in diesem Jahr werden es voraussichtlich bereits weniger als 590.000 sein.
3,15 Millionen Fluggäste werden hingegen im Planfeststellungsverfahren für den Ausbau prognostiziert.
"Die Gremien der Stadt sind an den Bürgerentscheid gebunden und stehen dazu", erklärte Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) am Mittwoch den Grund für den Lübecker Schildbürgerstreich und setzte hinzu: "Wenn ich entscheide, es wird ausgebaut, dann wird ausgebaut." Er warte noch auf ein Signal des Oberverwaltungsgerichts Schleswig, bei dem Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss notwendig sind. Doch schon Mitte November solle mit den Baumaßnahmen begonnen werden. Saxe selbst erlaubt sich schon lange keine eigene Meinung mehr zu dem umstrittenen Ausbauprojekt, verweist nur noch stur auf Volkes Willen.
Zentrales Argument für die Ausbau-Pläne war eine unverbindliche Ankündigung der irischen Billigfluglinie Ryanair gewesen, ihre Lübecker Aktivitäten hochzufahren und Lübeck zum Stützpunkt der Fluggesellschaft auszubauen, an dem auch eigene Flugzeuge fest stationiert seien. Als Gegenleistung forderte Ryanair, größter Kunde des Airports Blankensee, eine Landebahnverlängerung um künftig vollbetankt starten und so fernere Reiseziele etwa auf den Kanaren von Lübeck aus anfliegen zu können.
Doch es blieb bei der Ankündigung. Als Saxe und Lübecks Wirtschaftssenator Sven Schindler (SPD) vergangenen Juni in die Dubliner Ryanair-Zentrale reisten, kamen sie mit leeren Händen zurück. Inzwischen hat Ryanair den Lübecker Winterflugplan drastisch zusammengestrichen, auch die beliebte Mallorca-Verbindung aus dem Programm genommen.
Und weitere Streichungen sind geplant. Am Mittwoch kündigte Ryanair-Sprecherin Henrike Schmidt an, die Fluggesellschaft werde ihren Flugplan für Deutschland weiter ausdünnen. Der Grund: Die Iren wollen die von der Bundesregierung beschlossene Luftverkehrsabgabe nicht zahlen und sich weitgehend aus dem deutschen Markt zurückziehen. In einem Nebensatz brachte Schmidt auch Lübecks Hoffnungen zum Absturz, zum Ryanair-Stützpunkt aufzusteigen. Es sei, so Schmidt, "sehr unwahrscheinlich", dass es einen weiteren Ryanair-Stützpunkt in Deutschland geben werde. "Nur eine Fata Morgana in den Köpfen der CDU und FDP" sei die Einrichtung eines Lübecker Ryanair-Stützpunktes noch, ahnt der Kieler Landtagsabgeordnete der Grünen, Thorsten Fürther.
Was beide Parteien nicht davon abhielt, SPD, Linken und Grünen die "Missachtung des Bürgerwillens" vorzuwerfen, als deren Vertreter am Dienstag im Airport-Aufsichtsrat gegen die Ausbaupläne votierten - ein Votum das aber voraussichtlich folgenlos bleibt. "Die Kritik am Aufsichtsrat ist völlig unberechtigt", kontert Fürther, da dieser gar "nicht nach politischen Kriterien entscheiden" dürfe, sondern verpflichtet sei "Schaden von der Gesellschaft und den Eigentümern abzuwenden". Deshalb könne er nicht "wirtschaftlichen Unfug einfach abnicken".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?