■ Aus polnischer Sicht: Do you have a card of PZPR?
Das polnische Fernsehen besteht im Grunde genommen aus zweierlei Sendungen: Satire und Werbung. Den Rest kann man vergessen. Allerdings verkommt die Werbung sehr oft zur Satire, und die Satire beschäftigt sich intensiv mit der Werbung.
Die Versicherungsgesellschaft PZU wirbt für ihre Auslands- Krankenversicherung mit einem Spot, in dem ein polnischer Patient auf englisch gefragt wird: „Do you have a card of PZU?“ Der offensichtliche Blödsinn dieser Werbung ist so charmant, daß in einer satirischen Sendung der Slogan veralbert und zur Gretchenfrage wird: „Do you have a card of PZPR?“
PZPR ist die Polnische Vereinigte Arbeiterpartei, die seit über drei Jahren keine Macht mehr hat und seit über zwei Jahren nicht mehr existiert. Trotzdem ist es für viele Parteien und Politiker in Polen das wichtigste Kriterium – das über das öffentliche und berufliche Sein oder Nichtsein entscheiden kann –, ob jemand in der PZPR irgendeine, auch noch so unbedeutende Rolle auf unterster Ebene gespielt hat. Weil weder in der Wirtschafts- noch in der Außenpolitik für Dutzende kleine Gruppierungen irgend etwas zu holen ist, seit das politische Leben in Polen die Koalition der Demokratischen Union und der Christ-Nationalen Vereinigung (also des Wassers mit dem Feuer) bestimmt, versucht man den populistischen Losungen gerecht zu werden, indem man radikaler als andere gegen die ehemaligen Kommunisten aufmarschiert.
Das Resultat ist ziemlich komisch, weil man sehr viele Menschen ausschließen muß, die (wie Jacek Kuron) als Kommunisten angefangen, später jedoch für die Freiheit gekämpft und gelitten haben. Auf der anderen Seite findet man sehr oft ziemlich miese Kreaturen, die zwar keine kommunistische Vergangenheit, dafür aber auch keine Verdienste um den Aufbau der zivilen Gesellschaft vorzeigen können, nun aber, nach dem Sieg der Demokratie, sich als unbeugsame Kämpfer für den Rechtsstaat und als Erzantikommunisten präsentieren wollen.
Darin sind sie auch den polnischen Antisemiten sehr ähnlich, die verbittert die in Polen nicht vorhandenen Juden jagen. Wenn das nicht ekelhaft wäre, könnte man darüber lachen. Piotr Olszowka
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