: Aus für Zentralbankchef
Der nicaraguanischen Wirtschaftskrise ist mit dem Gold-Cordoba als Parallelwährung nicht beizukommen ■ Aus Managua Ralf Leonhard
Nicaraguas umstrittener Zentralbankchef Francisco Mayorga wurde am Dienstag durch einen nächtlichen Kabinettsbeschluß überstürzt abgesetzt und an die Universität zurückgeschickt. Er wird vorerst durch seinen bisherigen Vize, Raul Lacayo Montealegre, ersetzt. Mayorga, der Schöpfer des Gold-Cordobas — der erst teilweise zirkulierenden neuen Währung, die dem Abwertungsdruck trotzen sollte — gestand Mittwoch in einer Pressekonferenz das Scheitern seines Wirtschaftsplanes ein. Allerdings machte er dafür die Streiks im Mai und Juli verantwortlich.
Gleichzeitig wurde das unter Violeta Chamorro aufgelöste Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit neu geschaffen. Minister ist Erwin Krüger, der sich bisher um die verstaatlichten Betriebe und deren Privatisierung gekümmert hatte. Seine einzige Aufgabe wird jetzt die Beschaffung von ausländischer Wirtschaftshilfe sein. In dieser Mission wurde er umgehend auf Reise durch die USA und Westeuropa geschickt.
Wenige Stunden bevor er als erster Minister der neuen Regierung den Hut nehmen mußte, hatte Mayorga erklärt, der Staat brauche dringend 300 Millionen Dollar. Denn nur durch die Begleichung überfälliger Schulden könnten bei den internationalen Finanzinstitutionen neue Kredite losgeeist werden. Mayorga hatte alles verfügbare Kapital eingesetzt, um den neuen Gold-Cordoba zu stützen, der bisher stabil blieb, aber im Grunde fiktives Geld ist. Denn die skeptischen Nicaraguaner tauschen die neuen Scheine umgehend in Dollars um. Auf der Straße zirkuliert nach wie vor der alte Cordoba, der jede Woche um mindestens fünf Prozent abgewertet wird.
Nach Mayorgas Abgang wird erwartet, daß der Gold-Cordoba die alte Währung bald ganz ersetzt, aber gleichzeitig abgewertet wird. Steuererhöhungen und ständige Währungsabwertungen haben in Nicaragua die Produktionskosten so weit hinaufgetrieben, daß die Industrie des Landes gegenüber der ausländischen Konkurrenz völlig chancenlos ist. Der Schmuggel aus dem benachbarten Honduras ist in den letzten Monaten zu einem neuen, florierenden Erwerbszweig geworden, der Tausenden von Arbeitslosen ein Einkommen verschafft. Eine Zwei-Liter-Flasche Coca-Cola aus Honduras zum Beispiel kostet kaum mehr als eine Drittelliterflasche aus einheimischer Produktion. Ähnlich verhält es sich mit Textilien, Schreibwaren und Süßigkeiten, die hier den informellen Markt überschwemmen.
Die Minister, die auf Fundraising-Tour gehen, haben das sogenannte Konzertierungsabkommen im Gepäck, das bei den ausländischen Geldgebern Vertrauen schaffen soll. Der Wirtschafts- und Sozialpakt wurde letzten Freitag unterzeichnet und hat den Zweck, dem Land ein Minimum an Stabilität zu bringen. Während der Staat darin auf Massenentlassungen und ideologisch motivierte Privatisierungen verzichtet, wollen die Gewerkschaften nur in Extremfällen vom Streikrecht Gebrauch machen. Was das Abkommen wert ist, muß sich erst zeigen. Denn der Unternehmerverband „Cosep“ verweigerte die Unterschrift, weil er die Rückgabe aller unter der sandinistischen Regierung konfiszierten Güter nicht durchsetzen konnte.
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