Aus den Niederungen des Fußballsports: Kaisers neue Kleider
■ Bergedorf 85 uninspiriert
Schon bei seinem Amtsantritt im Februar sagte Bergedorfs neuer Manager Jozef Sobecki: „Diese Saison ist für mich abgehakt. Ich glaube nicht mehr an die Aufstiegsrunde.“ Eine Äußerung, die in der Mannschaft und beim Trainer Manfred Lorenz angesichts der nur drei Punkte Rückstand Verwunderung und Entsetzen auslöste.
Die kommende Woche dürfte für Bergedorf nun die entscheidende sein. Hintereinander kommen der SC Concordia und die Amateure des FC St. Pauli an die Sander Tannen - da ist noch alles drin. Doch Manfred Lorenz wird diese Spiele nicht mehr erleben. Er wurde am Montag - rechtzeitig vor dem großen Erfolg - gefeuert.
20:4-Punkte hieß die Bilanz des Trainers, der im Oktober Wolfgang Nitschke abgelöst hatte. Doch das war für Sobecki zu wenig. „Die Zuschauer müssen unseren Fußball lieben. Immer nur knappe Siege will doch keiner sehen“, behauptet der Pole und packte das angebliche Übel an der Wurzel. Jetzt führt Sobecki selbst Regie und will sich sogar einen Trainingsanzug anziehen, um seine Solidarität zur Mannschaft zu untermauern - des Kaisers neue Kleider.
Doch im Schatten dieses „Kaisers“ ist es schwer, Trainer zu sein. Bis zum Saisonende fungiert Thorsten Lüneburg als „Strohmann“, doch dann soll ein echter Fachmann her. Vier potentielle Bergedorf-Trianer sagten Sobecki schon ab - dabei gibt es dort sicherlich nicht gerade wenig zu verdienen. Einer der Kandidaten meinte später: „Man sollte in Bergedorf erst über die Abfindung verhandeln - und dann über den Trainervertrag.“
Bergedorf 85 will also anscheinend gar nicht aufsteigen, will lieber in der Oberliga für Furore sorgen. Dorthin will plötzlich auch wieder der SC Victoria. Mit dem neuen Trainer, Bernd Haury, scheint das Glück zurückgekehrt. Gegen Komet und Meiendorf gab es zwei 2:1-Siege, jetzt ziert Victoria statt Platz 12 schon den 9. Platz. Und der könnte - theoretisch - schon für die Qualifikation langen. Doch dann müßte sich im Umfeld des Vereins noch einiges tun. Schließlich mußte Haury selbst ein Schreiben an den Verband verfassen, damit das Spiel gegen Altona 93 verlegt wird. Sonst hätte die Mannschaft fünfmal in neun Tagen auflaufen müssen - und da hätten sich sogar die gutbezahlten Herren Profis beschwert.
Womit wir in der jetzigen Oberliga wären. Dort steht drei Spieltage vor Schluß der Abstiegskampf weiter im Vordergrund. Nach dem 4:0-Erfolg gegen den TuS Hoisdorf hat sogar die „Gurkentruppe“ des 1. SC Norderstedt wieder Chancen auf den Klassenerhalt. Morgen fällt im Duell bei Preußen Hameln die Vorentscheidung. „Wer verliert, steigt ab“, weiß Preußen-Coach Uwe Cording, einer von neun Trainern, die seit Anfang dieser Saison im Amt sind.
Zwischen diesen beiden Teams und dem SV Lurup entscheidet sich die Suche nach zwei Absteigern. Nach dem Sieg in Oldenburg will Lurup morgen einen weiteren wichtigen Schritt tätigen. Um 15 Uhr erwartet die Mannschaft von Dietmar Demuth die Amateure des SV Werder Bremen. Eigentlich ein dankbarer Gegner, steht der Bundesliga-Nachwuchs doch jenseits von Gut und Böse und kann erstmals seit drei Jahren nicht mehr die Deutsche Amateur-Meisterschaft erreichen.
Nobby Siegmann
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