Aus dem Vereinsleben: Margot Trabant
■ Abgefahren auf Pappe und S-Bahn
Dyrk Hennig hat das Protestieren gelernt. Er fährt Trabi! Nur noch Trabi! Zu Ost-Zeiten ist er Moskwitsch gefahren. Jetzt aber, da Wessi-Politiker versuchen, mittels Kat-Vorschriften die Trabis („ein Stück Ost-Identität“) von der Straße zu drängen, fährt er Protest- Pappe. Dyrk Hennig ist Autosattler in Lichtenberg und Mitglied der Trabantcrew Berlin- Brandenburg. 1992 hat er sich, „aus Protest“, für zweihundert Mark einen Trabi 601 gekauft, inzwischen ist sein Trabi knallpink und als Cabrio zu gebrauchen und „seine elf-, zwölftausend Mark wert“. Klar, daß Dyrk Hennig beim Trabi-Kult- Treffen am Wochenende in Pankow aufgefahren ist – die Ossis dürften sich schließlich nicht an den Straßenrand drängen lassen. Darauf ein Bier, ein Dosenbier der Protestmarke „Trabi“ („gepflegt Gas geben mit hochwertigem Kraftsstoff“), gebraut natürlich im Protestkaff Zwickau.
Das „Grenzschutzkommando Ost“ bläst auf dem Hauptbahnhof-Ost, Gleis 10 und 11, für die Einigkeit Europas. Karlheinz und seine Mutter Luise sind begeistert. Biedermanntolle und Füße wippen im Marschtakt. Kalle ist rundum glücklich, gerade hat er eine Autogrammkarte von Volksmusikfossil Margot Hellwig ergattert.
Die Hellwigen rollt aufs Gleis, das Bahnhofsfest von SFB und S-Bahn-Berlin GmbH trällert seinem Höhepunkt entgegen. 90 Minuten werden live auf B1 übertragen, zur besten Sonntagseisbeinzeit. Die Gäste: Dauer-Hauptbahnhof-Bewohner, sprich Lidl-Obdachlose, und Familie Kowalski aus Reinickendorf. Die älteren Leut' sind nicht wegen des Fernsehens gekommen, nein, „nur um Neues über die S-Bahn zu erfahren“. Allerdings: Als Moderatorin Cathrin Böhme, „kenn' ma aus der ,Abendschau‘“, sagt: „Guten Tag, ich begrüße Sie zum Bahnhofsfest auf B1“, da stürmen die Kowalskis nach vorn, direkt und live ins Fernsehen. Der S-Bahn-Verkehr läuft derweil weiter; die Bierwolke über Gleis 10 und 11 bleibt hängen. Euer B. Richter
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen