: Aus dem Koalitionskrach ist der Dampf raus
■ SPD-Gremien grollen zwar, wollen es jedoch bei einer scharfen Abmahnung des Regierenden belassen/ Landowsky (CDU) dementiert, über eine kleine Koalition nachgedacht zu haben/ »Kleinteilige Nachhutgefechte« müßten beendet werden
Berlin. Die Auseinandersetzung um das Abstimmungsverhalten des Regierenden Bürgermeisters, Eberhard Diepgen, im Bundesrat, wird voraussichtlich nicht zu einem Bruch der Großen Koalition führen. Bei den Sozialdemokraten ist zwar auch nach der gestrigen Sitzung des Geschäftsführenden Landesvorstandes der Zorn noch nicht verraucht, doch wird man, dem Vernehmen nach, keine weitergehenden Konsequenzen ziehen. Am späten Nachmittag traten der Landesausschuß der Partei und die Fraktion zusammen, um über die Situation zu beraten. Vor der Sitzung machte der Fraktionsvorsitzende Ditmar Staffelt deutlich, daß er nicht mit Neuwahlen rechnet. Bei der Lage in der Stadt dürfe es diese nur geben, »wenn es unumgänglich wäre«. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky dementierte, daß bei der CDU über eine kleine Koalition nachgedacht würde. Zwar habe das Bündnis mit der SPD einen »klimatischen Einbruch« erlitten, doch stehe er voll hinter der Koalition. Diesen Standpunkt mochte der SPD-Landesvorsitzende Walter Momper gestern noch nicht wieder einnehmen. Seiner Meinung nach hängt die Zukunft der Koalition von Diepgen ab. Der müsse nun dafür sorgen, daß in der nächsten Zeit genug Geld nach Berlin kommt, nachdem er bislang in Bonn nur durch Leisetreterei aufgefallen sei. Wegen dieser Leisetreterei und wegen des Bruchs der Koalitionsvereinbarung werde die SPD, so Momper, »das Verhalten des Regierenden Bürgermeisters mißbilligen«. Damit dürften sich die Sozialdemokraten allerdings in eine prekäre Situation manövrieren. Denn bei der Fraktion von Bündnis 90/ Grüne wird überlegt, einen entsprechenden Antrag in das Abgeordnetenhaus einzubringen. Ein Mißbilligungsantrag hat zwar, im Gegensatz zu einem Mißtrauensantrag, keine praktischen Konsequenzen, er würde aber die SPD- Fraktion vor die unliebsame Entscheidung stellen, entweder im Parlament gegen die CDU zu stimmen oder ihre politische Überzeugung der Koalitionsdisziplin zu opfern. Deshalb wurde gestern intensiv darüber sinniert, mit welcher Schärfe das Verhalten des Regierenden Bürgermeisters zu verurteilen ist. Nach Auffassung des Kreuzberger Kreisvorsitzenden, Peter Strieder, sollte Diepgen »die Gelbe Karte kriegen«, als »Abmahnung« für seinen »Vertragsbruch«. Damit solle ihm deutlich gemacht werden, daß bei einem weiteren solchen Akt die Koalition beendet sei. Im Augenblick habe diese allerdings noch zu viele Aufgaben vor sich, die gelöst werden müßten. Auch Landowsky plädierte dafür, »die kleinteiligen Nachhutgefechte« zu beenden. »Es wäre absurd«, so der CDU-Mann, »wenn deshalb die Koalition platzen würde.« Heute nachmittag werden Fraktions- und Landesvorstand der CDU beraten. dr
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