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Aus Bäckerei-Filialketten kann man mehr mitnehmen als nur das tägliche BrotEin Prozent Milch

AM RAND

Klaus Irler

Unter den Gewerbetreibenden unserer Zeit kommt dem Bäcker viel Sympathie zu. Der Bäcker ist eine positive Gestalt wie vielleicht noch der Kaminkehrer, der Schuster und der Feuerwehrmann. Leider trifft man Bäcker heute nicht mehr auf der Straße. Die Bäcker leben zurückgezogen in Großbäckereien und liefern nur noch aus an ihre Filialen, die es überall gibt, sogar in der Vorstadt.

Meine Vorstadt-Bäcker heißen Dat Backhus, Kolls, Kamps und von Allwörden. Bei letzterem stand ich eines morgens und fragte den Verkäufer: „Was ist der Unterschied zwischen dem Landbrot und dem Krustenbrot?“ Er überlegt kurz und sagte dann: „Das Krustenbrot hat mehr Kruste.“

Das brachte mich zum Nachdenken. Wie viel Land steckte dann wohl im Landbrot? Und was war mit den Milchbrötchen? Ich fragte nach bei Dat Backhus: „Ist in den Milchbrötchen eigentlich Milch drin?“ Die Verkäuferin schaute mich streng an. „Ja, sonst dürften sie nicht Milchbrötchen heißen. Es muss mindestens ein Prozent Milch drin sein. Sonst würden sie ‚Weiche‘ heißen.“

Dann sagte die Verkäuferin: „Übrigens! Wir haben gerade das Hus-Brot im Angebot. Das ist ein ganz leckeres Schweizer Rezept!“ Ich wollte kontern mit: „Hus-Brot aus der Schweiz? Geht’s noch? ‚Hus‘ ist plattdeutsch!“

Zum Glück hielt ich mich zurück und schaute zu Hause im Internet nach: „Hus“ gibt’s auch im Vorarlbergischen. Vorarlberg gehört zu Österreich und grenzt an die Schweiz. Wer weiß, wo da die Sprachgrenze verläuft. Kann schon sein, dass Schweizer Hus-Brot kein Quatsch ist.

Als ich eines Nachmittags im Backhus ein Stück Kuchen bestellte, sagte die Verkäuferin zu mir: „Was kommt denn da noch Schönes mit bei? Auf einem Bein steht man doch schlecht!“

Ich fragte mich den ganzen Heimweg über, woher ich den Spruch mit dem einen Bein kannte. Dann fiel es mir ein: Vom Saufen! Ich konnte nicht rekonstruieren, wann das letzte Mal jemand diesen Satz zu mir gesagt hat. Aber es hat mich doch beschäftigt. Zumindest so lange, bis der Kuchen weg war.

Warum erzähle ich das alles? Weil kürzlich in Niendorf ein neuer High-Tech-Aldi aufgemacht hat. Der Aldi hat ein erstaunlich großes Bio-Sortiment, das meiste davon ist aufwändig eingeschweißt und ausgezeichnet mit diesem grünen EU-Bio-Label, von dem ich immer nicht so genau weiß, wie ernst das zu nehmen ist. Abgesehen davon hat der neue Aldi eine beachtliche Brot- und Brötchenabteilung mit frisch aufgebackenen Tiefkühlteiglingen. Alles dabei: „Weizenkrüstchen“, „Kartoffel-Fußballbrötchen“ und „Sonnenbatzen“ – letzteres ist ein Roggenvollkornbrot.

Der High-Tech-Aldi brummt, die Leute kaufen wie verrückt, und weil kein Bäcker in der Nähe ist, kaufen die Leute da auch ihr Brot. Nun muss es gar nicht sein, dass das Aldi-„Bäckerbrötchen“ etwas anderes ist als das „Knackfrische“ im Backhus. Nur: Im Aldi steht niemand mehr, den ich fragen kann, ob die Milchbrötchen Milch enthalten. Im Aldi kriege ich keinen Trinkspruch mit auf den Weg. Im Aldi kann ich mich nur mit mir selber unterhalten. Und das haben die Bäcker nicht verdient.

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