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Archiv-Artikel

klolumne Auftritt der Lokus-Lobbyisten

Berlin ist seit gestern um ein malerisches Fotomotiv reicher: kackende Menschen. Überall auf dem Potsdamer Platz, passenderweise vor dem Bahn-Tower, hocken Männer und Frauen hinter Rucksäcken, Abfalleimern oder Einkaufstüten und lassen – nur mäßig vor den Objektiven der Touristen geschützt – ihren Bedürfnissen freien Lauf. Ja, das ist die Berliner Luft.

Natürlich kacken die Menschen nicht wirklich. Es sind noch nicht mal richtige Menschen, sondern Holzfiguren in Retro-Orange, die eines der wichtigsten Grundbedürfnisse der Menschheit eindrucksvoll darbieten. Aufgestellt hat das Stuhlgang-Ensemble die unlängst gegründete German Toilet Organization (GTO). Deren Chef Thilo Panzerbieter verkündet: „Die ästhetische Gestaltung der Figuren soll die Besucher neugierig machen und zum Nachdenken anregen.“ Denn Nachdenken über den Gang aufs Örtchen tue Not.

Panzerbieter will, dass die Menschen es nicht nur tun, „sondern endlich auch darüber reden“. Schließlich verbringe der Mensch drei Jahre seines Lebens auf der Toilette. Sofern sie eine haben: 42 Prozent der Weltbevölkerung fehle sie, sagt Panzerbieter. Für diese 2,6 Milliarden Menschen ist die Kacke also wirklich am Dampfen.

Das Ziel von Panzerbieters NGO sind bessere Toiletten für alle – der Gesundheit und der Würde wegen: „Sanitation is Dignity – Toilette bedeutet Würde“, heißt das Motto der Lokus-Lobbyisten.

Aber nicht nur in Entwicklungsländern, auch in Deutschland ist toilettenmäßig einiges im Argen. Frauen etwa werden diskriminiert. „Warum müssen Frauen auf öffentlichen Toiletten eigentlich grundsätzlich länger anstehen?“, fragt Panzerbieter, nicht nur passend zum heutigen Frauentag.

Schlimmer noch: Die WC-Misere in Deutschland ist generell groß. „Auch hierzulande sind fehlende, schlecht entworfene oder mangelhaft betriebene Toiletten eher die Regel als die Ausnahme“, konstatiert der GTO-Chef bitter. Deutsche Toiletten stinken oft, sind schlecht beleuchtet und damit Örtchen, „an denen auch Kleinkriminalität nicht ungewöhnlich ist“. Dabei dienen saubere Toiletten nicht nur dem eigenen Wohlbefinden. Nein, saubere Toiletten förderten auch den Tourismus. Mit dem Zustand der hiesigen Bedürfnisanstalten könne sich Deutschland nur bedingt als menschenfreundlicher WM-Gastgeber gerieren, so Panzerbieter. Nehmen wir den Auftrag der German Toilet Organization also ernst: Schaffen wir umgehend die Voraussetzungen für angenehmes Austreten, für den sympathischen Schiss. Auf dass es im Sommer heißen mag: Die Welt sitzt gern bei Freunden. TORSTEN GELLNER