: Auftakt zum teuren Jahrmarkt der Eitelkeiten
Im schweizerischen Davos treffen sich ab morgen zum 35. Mal Macher aus Wirtschaft und Politik zum Weltwirtschaftsforum. Über allem thront Gründer Klaus Schwab, der beinahe als Säulenheiliger gilt
GENF taz ■ Nicht nur für die Zürcher Wochenzeitung ist der 66-jährige Genfer Wirtschaftsprofessor Klaus Schwab der „eitelste Mann der Welt“ und das von dem gebürtigen Schwaben 1971 begründete Weltwirtschaftsforum (WEF) im Schweizer Davos „ein riesiger Jahrmarkt an vorgespielter Macht, wirklicher Macht, noch wirklicherer Eitelkeit und zahllosen Füllwörtern“. Von morgen bis Sonntag geht die 35. Ausgabe über die Bühne.
Unter dem Motto „Verantwortung übernehmen für schwierige Entscheidungen“ finden sich im Programm Diskussionen und Vorträge zu fast sämtlichen Problemen dieser Welt, darunter Nahost, Afrika, China, Globalisierung, Terrorismus und Armut. Um die Relevanz des Forums hervorzuheben, erklärte Schwab nach der Flutkatastrophe im Indischen Ozean Ende Dezember –als das Programm längst gedruckt war – noch schnell die Tsunami-Vorwarnung zu einem „Schwerpunkt“.
Entscheidungen stehen in Davos nicht an. Und die Beratungen in den Vorjahren – etwa zur sozialeren Ausgestaltung der Globalisierung – verblieben immer in für alle Beteiligten angenehmer Unverbindlichkeit. Dennoch – oder deshalb – haben auch in diesem Jahr neben Bill Gates und weiteren rund 1.000 Unternehmensvertretern 23 Staats- und Regierungschefs sowie zahlreiche führende Politiker aus aller Welt zugesagt. Mit dabei: die neuen Präsidenten der Ukraine und Palästinas, Viktor Juschtschenko und Mahmud Abbas, Brasiliens Regierungschef Luiz Inácio Lula da Silva sowie aus Deutschland Bundeskanzler Gerhard Schröder und Oppositionsführerin Angela Merkel.
Hinzu kommt eine erstaunlich hohe Anzahl von Journalisten – erstaunlich deshalb, weil die Arbeitsbedingungen für die Medien bei keinem internationalen Großanlass so miserabel sind wie beim WEF. Als 2002 selbst in der Hauszeitung Kritik an der Behandlung der Journalisten formuliert wurde, verbot Schwab einfach ihr weiteres Erscheinen. Medienvertretern, von denen er Kritik befürchtet oder die für seiner Meinung nach nicht relevante Medien arbeiten, verweigert er die Akkreditierung von vornherein – ein Akt der Zensur, da das Forum angesichts der immensen Kosten, die den Schweizer Steuerzahlern entstehen, längst keine private Veranstaltung mehr ist. 28 Millionen Franken mussten die Schweizer Bundesregierung, der Kanton Graubünden und die Stadt Davos 2004 allein für die Sicherheitsmaßnahmen aufbringen. Dieses Jahr soll es noch teurer werden. Trotz der immensen Gewinne, die Schwab mit seiner Firma WEF macht, weigert er sich, diese Kosten zu übernehmen.
Doch die öffentliche Kritik daran ist in der Schweiz relativ leise. Noch ist Schwab in der Alpenrepublik fast ein Säulenheiliger. Auch ein Korruptionsskandal, in dessen Folge sein Vizepräsident José María Figueres Olsen im Oktober letzten Jahres seinen Hut nehmen musste, überstand Schwab unbeschadet. Angeblich hatte er von den Verfehlungen nichts gewusst. Für die politische Klasse der Schweiz und für fast alle ihre Medien ist zumindest bislang immer noch wichtiger, dass die Veranstaltung in Davos der Alpenrepublik wenigstens einmal pro Jahr für einige Tage internationale Aufmerksamkeit beschert. ANDREAS ZUMACH