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Aufstände im Irak halten an

■ Saddam kämpft um die Kontrolle im Land/ USA: Keine Bestätigung für den Einsatz von Giftgas/ Kurden melden neue Erfolge/ Revolten auch in den Elendsvierteln von Bagdad?

Amman/Nikosia (ap/dpa/afp) — Bei den bürgerkriegsähnlichen Unruhen in Irak sollen schon Tausende von Menschen umgekommen sein. Ein Augenzeuge sprach von einem „Massaker“ in der Hafenstadt Basra. Trotz des als brutal geschilderten Vorgehens regierungstreuer Truppen scheint es Präsident Saddam Hussein bisher nicht gelungen zu sein, die Aufstände einzudämmen. Ein genaues Bild der Lage in Irak war allerdings nicht möglich, zumal kaum noch ausländische Reporter aus dem Land berichten können.

Nach Informationen von US-amerikanischer Seite gibt es aber keine Bestätigung für Meldungen der irakischen Opposition, daß Giftgas gegen Aufrührer eingesetzt worden sei, wie aus Beirut von Abu-Maytham Saghir, dem Sprecher des Obersten Rates für die Islamische Revolution, im Irak gemeldet worden war. Auch der irakische Oppositionspolitiker Dschawad el Malik hatte am Freitag in der syrischen Hauptstadt Damaskus behauptet, Saddams Truppen hätten bei Einsätzen gegen Aufständische in den Orten Al Haleh, Al Kifil, der Stadt Nadschaf und in Teilen Basras Senfgas eingesetzt. Immerhin hat die US-Regierung am Wochenende auf offiziellem Wege Bagdad vor einem Einsatz von Giftgas gewarnt. Wie die 'New York Times‘ meldete, planen die USA die Wiederaufnahme der Luftangriffe gegen diejenigen irakischen Einheiten, die chemische Waffen einsetzten.

Aus Oppositionskreisen verlautete, seit Freitag gebe es Aufstände in fünf Armenvierteln in Bagdad zu deren Bekämpfung die Armee auch Kampfhubschrauber einsetze. Außerdem, so hieß es, hätten die Unruhen inzwischen auf Städte übergegriffen, in denen Sunniten lebten. Im Norden haben die kurdischen Widerstandskämpfer nach eigenen Angaben sechs weitere Städte unter ihre Kontrolle gebracht und werden zunehmend von Deserteuren unterstützt, die in „Bataillonsstärke“ zu ihnen überlaufen. Seit Samstag hätten die kurdischen Guerillas die Städte Agdscheler, Kifri, Basin, Schamschamal und Hangar erobert. Nach Angaben von Barham Saleh, einem Sprecher der Patriotischen Union Kurdistans, stehen sie dicht vor Kirkuk, einem der wichtigsten Erdölgebiete Iraks.

Die Demokratische Partei des irakischen Kurdistan (PDK) gab am Wochenende die Einnahme der Stadt Halabdscha bekannt, wo im März 1988 rund 5.000 Kurden einem Giftgasangriff der irakischen Luftwaffe zum Opfer gefallen waren. Die kurdischen Aufständischen sollen, wie es aus dem Pariser Kurdischen Institut hieß, in der Provinz Suleimanja die Lager Arbat und Sirain für die 1988 deportierten Kurden unter Kontrolle haben sowie vier Lager der Provinz Arbil mit zusammen zwei Millionen kurdischen Bauern.

Aus Kreisen der militärischen Aufklärung der USA am Golf verlautete, US-Soldaten ließen in dem von den alliierten Truppen besetzten Teil Südiraks irakischen Widerstandskämpfern Waffen zukommen, obwohl es die Militärführung untersagt habe. Die 40 ausländischen Journalisten, die am Freitag aus irakischer Gefangenschaft entlassen worden waren, sind am Samstag in Jordanien eingetroffen. Sie berichteten ebenfalls über chaotische Zustände in der umkämpften Stadt Basra und über offene Streitereien zwischen irakischen Soldaten und Offizieren. Einige irakische Offiziere hätten gesagt, die Aufstände in Basra seien in Wahrheit „Hungerunruhen“ gewesen, „denn es gab kein Essen, keinen Strom, kein Wasser“.

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