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„Auf'm Dorf ist die Kuh die Frau vom Pferd“

■ Kultursoziologe Hans-Jürgen Döpp zweifelt an der These, der Täter sei Frauenhasser

taz: Ist der Pferderipper ein Frauenhasser?

Döpp: Nein. Egal ob Katze oder Kater, beide symbolisieren Weiblichkeit. Das Pferd, ob Hengst oder Stute, ist immer männlich.

Katharina die Große soll es mit Hengsten getrieben haben ...

Aus der römischen Geschichte ist überliefert, daß Ehebrecherinnen zur Strafe auf dem Marktplatz mit einem Esel koitieren mußten.

Könnten nicht diese großen und ausladenden Pferdehintern ein Symbol überbordender Weiblichkeit sein?

Magnus Hirschfeld berichtet von einem Patienten, der darüber klagte, daß er jedesmal beim Anblick der breithintrigen Brauereipferde eine Erektion bekam. Aber das Pferd ist in der Sexualität ein männliches Symbol. Wenn der Pferdemörder ein Frauenhasser ist, warum bringt er dann nicht Kühe um?

Kühe?

In meiner Kindheit hieß es auf dem Dorf immer, die Kuh ist die Frau vom Pferd.

Die Opfer sind vorwiegend Stuten, keine Hengste.

Auch die Stute, das penislose Pferd, ist ein männliches Symbol. Es zu töten deutet auf abgewehrte Homosexualität hin, eine Abwehr von Homoerotik. Stuten könnten zudem eine Abwehr von Kastrationsangst bedeuten. Der Täter ist keinesfalls Frauenhasser.

Also ein introvertierter Einzelgänger?

Nein. Denn er läßt es ja raus, er agiert seine Sexualität aus wie ein Schuhfetischist, ein Sadomasochist auch. Dieser Täter hat seine Triebstruktur in das Areal der Perversion vergattert — seine Bühne ist das Gatter, in dem das Pferd eingesperrt ist.

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