■ Auffangbecken für ausländische Frauen: Ein Teufelskreis
Die ausländische Minderheit in der Bundesrepublik Deutschland hat sich binnen 38 Jahren von einer homogenen zu einer heterogenen Gruppe gewandelt. Mit der Unterzeichnung der Anwerbeabkommen – das erste wurde 1955 mit Italien geschlossen – kamen überwiegend männliche Erwerbstätige nach Deutschland. Bereits Mitte der sechziger Jahre und vor allem durch das Familienzusammenführungsgesetz 1974 änderte sich das Zuwandererverhalten der Ausländer. Frauen und Kinder kamen nach. Doch nur 29 Prozent der Ausländer in der Bundesrepublik waren zu diesem Zeitpunkt sozialversichert. Der übrige Teil der ausländischen Wohnbevölkerung setzt sich aus nichterwerbstätigen Familienmitgliedern zusammen.
Besonders nach dem Zerfall der ehemaligen Sowjetunion konnte bei der ausländischen Minderheit in Deutschland eine neue Tendenz in der Erwerbstätigkeit festgestellt werden. Einwanderer aus den ehemaligen Ostblockstaaten, in erster Linie aus Bulgarien, Polen, der Tschechei, Ex-Jugoslawien und der Ukraine oder aus den ehemaligen klassischen Anwerberstaaten, fanden in der BRD nicht die erwarteten Ausbildungschancen und Arbeitsplätze. In erster Linie ist ein Großteil der ausländischen Frauen davon betroffen. Durch Landsleute animiert, wenden sich vor allem Frauen der zweiten und dritten Generation der Prostitution zu, mit der sie die Vorstellung von schnell verdientem Geld und baldigem Wohlstand verbinden. Diese Tendenz wird hauptsächlich in Ballungsgebieten registriert. Eine Studie des Zentrums für Türkeistudien im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen zur Präventions- und Aufklärungsmethodik zum Thema Aids bei ausländischen Mitbürgern weist besonders das Ruhrgebiet als eines der stärksten Zentren dieser Entwicklung aus. Ein Argument dafür ist mit Sicherheit auch die extreme Belastung durch die Rezession in der Bergbau- und Stahlindustrie, die den Lebensstandard einschränkt oder mindert.
Eine Auswirkung dieser Tendenz wird auch im Bereich der Prostitution bemerkt. Die Klientel der Nachtclubbesitzer wandelte sich. Das Gewerbe wurde zunehmend an Ausländer übertragen. So entwickelte sich eine neue Zusammensetzung des Milieus. Mehr und mehr ausländische Prostituierte, Zuhälter und Nachtclubbesitzer engagieren sich im Rotlichtgewerbe. Für viele Ausländer hat Prostitution eine besondere Relevanz. Oft offerieren ihnen Frauen gegen geringe Bezahlung auch ungeschützten Geschlechtsverkehr. Ein Ergebnis der Aids-Befragung in NRW belegt unter anderem, daß Beschnittene meinen, gegen Aids immun zu sein. [Hohoho, willkommen im Club, Jungs! d. säzzer] Hinzu kommt, daß 25 Prozent der Befragten glauben, daß Kondome nicht vor Aids schützen.
Falsche Vorstellungen, Unwissen und zunehmende Arbeitslosigkeit haben mit dazu beigetragen, daß ausländische Nachtclubs florieren. Sie sind ein Auffangbecken vor allem für ausländische Frauen der zweiten und dritten Generation, die große Hoffnungen in ihre Zukunft in Deutschland gesetzt haben und enttäuscht wurden. Finanzielle Notlagen, Drogenkonsum und eine mangelnde Existenzgrundlage treiben immer mehr Ausländerinnen in das Gewerbe. Ein Teufelskreis, aus dem es selten ein Entrinnen gibt, vor allem für ausländische Frauen in einer fremden Umgebung ohne soziale Anbindungen. Faruk Șen
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