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Auf der JagdEs ist wieder Piratensaison

Immer mehr ausländische Interventionsflotten jagen Piraten vor Somalia, Jemen und den Seychellen. Dennoch werden die Piratenangriffe immer erfolgreicher.

Bild mit Seltenheitswert: Normalerweise sind die Piraten mit ihren Angriffen erfolgreicher. Bild: dpa

Trotz der internationalen Marineaktionen vor der Küste Somalias nimmt die Piraterie in der Region an Intensität zu. Dies bilanziert UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in einem neuen Bericht an den UN-Sicherheitsrat, der am Mittwoch veröffentlicht wurde. Demnach kaperten Piraten in den ersten neun Monaten dieses Jahres 37 Schiffe vor Somalia, verglichen mit 33 im Vorjahreszeitraum. Die Gesamtzahl der Angriffe nahm zwar von 193 auf 164 ab, aber das bedeutet lediglich, dass Piratenattacken relativ gesehen häufiger Erfolg haben als vor einem Jahr. Fast jeder vierte Angriff ist erfolgreich, vorher war es jeder sechste.

"Das Gewaltniveau der Piraten hat zugenommen", so der UN-Bericht. Die Freibeuter hätten eine neue Angriffsstrategie, die der Bericht "Piratenaktionsgruppen" nennt: "Diese bestehen aus einem großen Mutterschiff und zwei oder drei hinterhergezogenen Kampfschiffen, was Piraten dazu befähigt, Angriffe weit vor der Küste (bis zu 1.300 Seemeilen) gegen immer größere Frachter durchzuführen."

Der UNO zufolge werden derzeit 389 Geiseln von somalischen Piraten festgehalten. Dies ist eine konservative Schätzung, und die Zahlen sind seit Ende September deutlich gestiegen. Die unabhängige Beobachterorganisation Ecoterra, die gemeinsam mit dem Ostafrika-Seefahrerhilfswerk die Lage in den somalischen Gewässern verfolgt, spricht in ihrem jüngsten Lagebericht vom Mittwochabend von mindestens 551 Geiseln oder Gefangenen in den Händen somalischer Piraten, dazu mindestens 30 ausländische Schiffe. Mitte September zählte Ecoterra erst 414 Geiseln und 23 gekaperte Schiffe. Unter den 551 Geiseln seien 110 aus den Philippinen.

Jüngste Geiselnahme: die "MV Aly Zoulfecar" aus den Komoren, die am Mittwochmorgen zwischen den Komoren und Tansania gekapert wurde. Sie hatte 29 Menschen an Bord, darunter 9 Besatzungsmitglieder und 12 tansanische und 8 komorische Passagiere. Am selben Tag soll ein jemenitisches Fischerboot gekapert worden sein.

"Zivil-militärische Koordination ist ein Schlüsselelement der Strategie, um den globalen Seehandel im Transit in Somalias Küstengewässern zu schützen", merkt der UN-Bericht kritisch an. Am wichtigsten sei, dass Frachter sich an den von ausländischen Marineeinheiten gesicherten Seekorridor im Golf von Aden zwischen Somaliland und Jemen hielten. Dazu sei ein besserer Informationsaustausch zwischen den vielen verschiedenen Interventionsmächten nötig. Es gibt vor Jemen und Somalia getrennt agierende Anti-Piraten-Flotten von EU und Nato, dazu eine US-geführte multinationale Operation zum Schutz des Transitkorridors im Golf von Aden und diverse Einzelaktionen von China, Indien, Iran, Japan, Jemen, Malaysia, Saudi-Arabien und Südkorea, zählt der UN-Bericht auf.

Zwischen all diesen Bemühungen gebe es auch mehrere, nicht aufeinander abgestimmte Koordinationsmechanismen. Nicht hilfreich ist nach Meinung unabhängiger Beobachter, dass nach wie vor auch illegal agierende ausländische Schiffe im Indischen Ozean unterwegs sind, beispielsweise zur Fischerei oder zum Transport verbotener Güter wie Waffen, Edelsteine oder Terroristen.

Ecoterra weist auf einen unter der Flagge der Vereinigten Arabischen Emiraten segelnden Frachter "Sea Queen" hin, der mit illegal exportierter Holzkohle aus Südsomalia den somalischen Hafen Kismayo verlassen habe. Die "Sea Queen" sei seit dem 23. Oktober in Piratenhänden, aber ihr Besitzer, Jagdip Ayachi, habe dies nicht gemeldet. Laut Ecoterra hat die EU-Eingreifflotte "Eunavfor" schon mehrfach die Kaperung illegaler Fischerboote beispielsweise vor den Seychellen verschwiegen.

Die ungehinderte Piraterie schadet den Staaten Ostafrikas, die ihren gegenwärtigen Wirtschaftsaufschwung auf intensivem Handel mit Asien gründen. "Internationale Handelsrouten sind bedroht, und Waren in der Region und Somalia werden teurer", so der UN-Bericht.

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3 Kommentare

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  • A
    @Anna

    Auswirkungen der Piraterie für die Bevölkerung Somalias:

    -Durch die Piraterie sind die Lebensmittelpreise für die somalische Bevölkerung um 20 bis 30 Prozent gestiegen, da nur noch wenige Frachtschiffe bereit sind, die somalischen Häfen anzulaufen. Auch für das World Food Programm wurde es zunehmend schwieriger, die Hifsbedürftigen mit Nahrungsmittel zu versorgen, da immer weniger Schiffseigentümer bereit sind, ihre Containerschiffe in die Region fahren zu lassen

    (Wikipedia)

  • P
    peer

    @Anna: Ich bin fast 40 Jahre zur See gefahren, zuletzt als Kapitän auf der Afrikaroute. Ich kann nicht verstehen wie Sie versuchen die Piraten zu exkulpieren.

    Piraten sind nicht die netten Kerle aus den Filmen sonder gewaltbereite Schwerstkriminelle deren Handlungen durch nichts zu rechtfertigen sind. Ich befürworte Flotteneinsätze und gut bewaffnete Deckcrews auf jedem zivilen Schiff.

    Sobald die Piraten merken, dass sie mit energischem Widerstand zu rechnen haben, rechnet sich das Geschäft für sie nicht mehr.

  • A
    Anna

    Die TAZ könnte vieleicht auch mal was über die Ursachen der Piraterie schreiben, von illegalem Fischfang großer Konzerne und Giftmüllentsorgung im Meer. Den Menschen wurde die Lebensgrundlage illegal geraubt, die Länder werden mit illegalen Waffenlieferungen auch von Deutschland geschwächt. Übrigens auch die Piraten damals in der Karibik waren gar nicht so böse, entflohene Sklaven oder Ureinwohner Amerikas, die sich nur genommen haben, was ihnen eigentlich gehörte. Die Medien sollten etwas ausgewogener Berichten und auch Ursachen darstellen, dann kann jeder selbst entscheiden, wer "der Gute und wer der Böse" ist.

     

    Hier nur kurz von Wikipedia: Seit den frühen 1990er Jahren wächst die Piraterie in somalischen Gewässern. Folgende miteinander verbundene Ursachen werden in der öffentlichen Debatten derzeit diskutiert:

     

    - das Fehlen einer funktionierenden Zentralregierung - in Somalia

    - die Nähe zu wichtigen Seefahrtsrouten zwischen Asien und Europa

    - das intensive Befischen der somalischen Gewässer durch ausländische Fischereiflotten

    - die Verklappung von Giftmüll durch ausländische Schiffe in somalischen Gewässern.

    Seit dem Sturz der Regierung Siad Barre im Jahre 1991 wurden die Hoheitsgewässer Somalias kaum mehr überwacht.

     

    Seither betreiben ausländische Schiffe in größerem Umfang illegalen Fischfang vor Somalia und überfischen die Gewässer,[3] was die Lebensgrundlagen der somalischen Fischer beeinträchtigt. Die Piraten sind zum Teil frühere Fischer, die ihr Tun damit rechtfertigen, dass die ausländischen Schiffe durch den Fischfang in den Hoheitsgewässern Somalias ihren Lebensunterhalt gefährden. Diese Piraten wollten also zunächst die Fanggründe vor Eindringlingen schützen, manche gingen allerdings dazu über, „Lizenzgebühren“ von den auswärtigen Fangflotten zu erpressen und auch Frachtschiffe und Passagierschiffe zu überfallen. Der kenianische Experte Andrew Mwangura, dessen Seafarers Assistance-Programme in 90 Prozent aller Kaperungen zwischen somalischen Piraten und Reedern vermittelt, nennt illegales Fischen als Wurzel der Piraterie.[4]

     

    Nach Angaben des UNO-Umweltprogramms UNEP wird seit 1991 Giftmüll vor Somalia verklappt.[5] 2002 wurden tausende tote Fische an die somalische Küste geschwemmt. Presseberichten zufolge brach der Tsunami von 2004 zahlreiche Giftmüllfässer auf, deren Inhalt die somalischen Gewässer und Küsten vergiftete,[5][6] was die UNEP allerdings skeptisch sieht.[7] 2008 berichtete die BBC von Erkrankungen im somalischen Küstenort Harardhere, die auf Giftmüll zurückgeführt werden.