vorlauf
: Auf dem Weg zum Eigensinn

„Martin Walser – Eine Deutschlandreise“ (Mi., 22.30 Uhr, ARD)

Aus dem Alltag eines Profis, hinter den Kulissen einer Lesereise: Der Schriftsteller Martin Walser – der heute (Glückwunsch!) 75. Geburtstag feiert – fährt im Herbst 1991 durch Deutschland, um seinen Roman „Lebenslauf der Liebe“ vorzustellen. Der SWF-Literaturredakteur Frank Hertweck hat ihn mit der Kamera begleitet. Es gibt – auch das! – erstaunlich ruhige, beiläufige Bilder von diesem doch so gerne polternden Autor. Bei der Ankunft im Hotel in Rostock will er etwa erkennbar nur noch aufs Zimmer und allein sein.

Dominierend aber ist der Eindruck des Energischen: Martin Walser, wie er bei den Mikrofonproben jedes Detail kontrolliert; wie er die Beherrschung verliert oder zu wahren sucht bei den Störungen, die die Lesungen begleitet haben (vorgehalten wurden ihm Zitate aus seiner Friedenspreisrede). Und ständig läuft die Auskunftsmaschine in eigener Sache, im trauten Kreis nach der Veranstaltung, bei Interviews, im Gespräch mit Schülerzeitungsredakteuren. Wie er zum Schreiben gekommen sei, wird er gefragt, und wie er zu den Ereignissen des 11. September stehe. Und ihn selbst drängt es immer wieder, sich und seine Friedenspreisrede zu erklären.

Es sind in diesem langen Autorenleben inzwischen eben eine ganze Menge Facetten zusammengekommen. Vor bald einem halben Jahrhundert erschien Walsers erstes Buch. Frank Hertweck versucht die aktuellen Gesichter dieses Autors eher beiläufig einzufangen; wo es sich ergibt, kontrastiert er sie mit historischen Aufnahmen. Hertweck erklärt nichts, inszeniert nichts und arbeitet nur mit den Mitteln der Montage. Manchmal gewinnt man den Eindruck, als studierte die Kamera das Verhalten eines seltenen Phänomens.

Ein dominanzgewohnter Autor auf dem never ending Weg hin zum Eigensinn – das ist der Eindruck, den man mitnimmt. „Literatur existiert unabhängig vom Meinungszirkus“, erklärt Walser an einer Stelle. Mag sein, dass auch das eine Pose ist. Dass hier aber störrisch einer darauf beharrt, sich von nichts und niemandem vereinnahmen lassen zu wollen, das glaubt man sofort. DIRK KNIPPHALS