Auf dem Prüfstand zur Bundesuniversität: Hohe Hürden für Uniklinik Charitè
Seit einer Woche diskutieren Politiker, ob die Charité Bundesuniversität werden soll. Dafür bedürfte es aber einer Verfassungsänderung.
Für nicht weniger als einen Paukenschlag hatte Annette Schavan (CDU) vorvergangene Woche gesorgt, als sie der Charité ein rosiges Bild zeichnete. Allein in Berliner Trägerschaft werde sich das Universitätsklinikum auf Dauer nicht gut entwickeln können, sagte die Bundesbildungsministerin. Die Idee einer Bundesuni machte fortan die Runde. Doch bei aller Vorfreude von Berliner Politikern, des Charité-Vorstandsvorsitzenden Karl Max Einhäupl und des Präsidenten der Humboldt-Uni, Jan-Hendrik Olbertz: Ob Bundesuniversitäten überhaupt jemals realisiert werden können, ist völlig unklar.
Seit der Föderalismusreform 2007 ist Hochschulpolitik mit wenigen Ausnahmen Ländersache. Vom Bund und nicht allein vom jeweiligen Bundesland getragene Unis sind mit den derzeitigen Gesetzen nicht machbar. "Jede Bundesbeteiligung an einer Universität ließe sich nur über eine Verfassungsänderung realisieren", kritisierte der bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) den Vorstoß. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Swen Schulz forderte Schavan auf, erst ein Konzept vorzulegen, bevor die Diskussion fortgeführt werde. Bereits im Februar, als Schavan von Bundesuniversitäten sprach, wurde sie dafür sowohl von der Opposition als auch aus den eigenen Reihen kritisiert.
Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) ist sich der Schwierigkeiten bewusst. Am Donnerstag betonte er im Abgeordnetenhaus, weder er noch Schavan hätten das Wort Bundesuniversität in den Mund genommen. Eine Beteiligung des Bundes am Klinikum wünscht er sich dennoch: "Das ist eine riesige Chance für die Charité und den Wissenschaftsstandort Berlin."
Als Alternative nannte Zöllner die Kooperation der Charité mit außeruniversitären Einrichtungen wie dem Max-Delbrück-Centrum (MDC). Die Charité könnte mit dem zu 90 Prozent vom Bund finanzierten MDC zusammengelegt werden. Dieses Modell wurde bereits beim Karlsruher Institut für Technologie durchgesetzt. Dort fusionierte die Universität mit dem Helmholtz-Forschungszentrum, wodurch sie ihr Budget verdoppeln konnte.
Gefahr der Trennung
Die Personalräte der Charité diskutieren derzeit mehrere Szenarien, wie es mit ihrem Haus weitergehen soll: "Eine Bundesuniversität kommt für uns in die engere Wahl, aber nur dann, wenn Lehre, Forschung und Krankenhaus in einem Betrieb bleiben", sagt Klinikpersonalrat Jörg Pawlowski. Ähnlich sieht es Matthias Jähne, Hochschulreferent bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Berlin: "Die GEW befürwortet eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Hochschulpolitik. Ich sehe aber die Gefahr, dass der Bund die Forschung übernehmen, der Klinikbetrieb aber abgetrennt und privatisiert werden könnte." Die Beschäftigten könnten so am Ende die Verlierer sein, wenn die Charité zur Bundesuniversität wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Twitter-Ersatz Bluesky
Toxic Positivity