■ Wie die europäischen Nachbarn die Einführung des Euros bewerten: „Auf Wiedersehen, DM“
In der Weimarer Republik zerfielen die Preise derart schnell, daß selbst moderate Trinker gleich zwei Bier auf einmal bestellten. Bis sie das erste austranken, war der Preis schon wieder gestiegen. Von Weimar bis Maastricht ist es geographisch nicht weit, historisch liegt eine ganze Welt dazwischen. Es ist bezeichnend, daß 1999, das Jahr, in dem der Maastricht- Vertrag umgesetzt wird, gerade Weimar zur Kulturhauptstadt Europas gewählt wurde. Und das nicht nur wegen 250 Jahren Goethe oder wegen des Bauhauses. Sondern um daran zu erinnern, wie „kurz und blutig“ unser Jahrhundert gewesen war. (Corriere della Sera, Mailand)
Vor 50 Jahren wurden in Deutschland die Münzen geprägt, die zum Symbol für den Nachkriegserfolg wurden. Mit der Währungsunion werden nun die DM und ihre Unabhängigkeit abgeschafft. Die Deutschen bringen ein ungeheures Opfer. Sie treten einen Teil der Kontrolle über ihre Währungspolitik an Staaten ab, die traditionell inflationär sind. Das ist der Preis, den die Politiker meinen bezahlen zu müssen, um voll in die Gemeinschaft der EU aufgenommen zu werden. Wir halten unsere Bedenken an dem Projekt aufrecht, salutieren aber dennoch die Entschlossenheit der Deutschen und wünschen ihnen viel Glück. (Daily Telegraph, London)
Es ist schwer, sich der Macht der Symbole zu entziehen, dem einheitlichen Geld in Europa, das noch vor der Wende ins neue Jahrtausend aus der Taufe gehoben wird. Man beendet ein Jahrhundert und gründet dabei zugleich eine neue Hoheitsgewalt, eine Macht ohne Institutionen, ohne Armee und ohne Kirche. Eine Hoheitsgewalt, die von den Finanzministern der EU festgelegt und über Internet verbreitet wird. In Wirklichkeit bedeutet die Geburt der Einheitswährung aber ein politisches Datum von außerordentlichem Rang. Europa, das zerstritten und sich feindlich gesinnt war, versucht jetzt, sich in ein politisches Subjekt zu verwandeln. (La Repubblica, Rom)
Wird der Euro stark sein? Das könnte die Befürchtung der am stärksten exportierenden Unternehmen sein, die sich behindert sehen angesichts von Konkurrenten, die sich auf einen kämpferischen Dollar stützen können, um die Märkte zu erobern. Wird er schwach sein? Die Deutschen werden das nicht zulassen. Sie sind dermaßen auf die Stärke ihrer Mark fixiert und streiten den Ländern Südeuropas ab, eine gute Figur im ersten Zug des Euro machen zu können – es sei denn, um ihn herunterzuziehen. Starker Euro, schwacher Euro – in diesem Streit sprühen die Funken. Aber heute haben sich die Leidenschaften abgeschwächt. (La Tribune, Paris)
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