piwik no script img

Auf Stelzen zum Krause-International-Airport

■ Hamburg-Berlin bevorzugte Strecke für Transrapid/ Auch die Hamburger SPD ist von den Plänen angetan

Eins muß man den Mannen im Forschungsministerium und bei Thyssen Henschel lassen: Sie haben Steher-Qualitäten entwickelt, wenn es um den Transrapid geht. 24 Jahre kämpfen sie nun für ihren schwebenden Techno-Flitzer, schon mehrfach glaubten sie sich am Ziel ihrer Wünsche, und dann war jedesmal Essig. Zuletzt waren die Transrapid-Enthusiasten noch bei der NRW-Landesregierung abgeschmiert, die keinen Pfennig für eine lange diskutierte Transrapid-Strecke mehr ausgeben wollte.

Doch mit Günther Krause wird alles anders. Der neue Verkehrsminister aus dem Osten hat sich in das technische Spielzeug Transrapid verliebt: Koste es was es wolle. Bei der gestrigen PR-Show für den Magnetzug formulierte Krause zunächst ganz moderat: „Es ist in der Verkehrspolitik wichtig, jede denkbare Chance zu nutzen. In diesem Sinne sehen wir den Transrapid als Ergänzung.“ Eine teure Ergänzung: 7,5 Milliarden Mark soll der Flitzer kosten, der dann mit Geschwindigkeiten um 400 Kilometer pro Stunde auf Krauses Lieblingsstrecke „einen bescheidenen Anteil an einem beschränkten Spektrum des Verkehrs“ von Hamburg nach Berlin befördert.

Kollege Riesenhuber schien den Satz mit dem bescheidenen Spektrum überhört zu haben, als er vollmundig verkündete: Er erwarte 16 Millionen Passagiere für die Strecke jedes Jahr — statt Flugzeug und als Ergänzung zur Schiene. Doch an der Effektivität des Transrapid gibt es unter Verkehrswissenschaftlern große Zweifel.

Helmut Holzapfel vom Dortmunder Institut für Landesplanung (ILS) glaubt nicht, daß sich Transrapid- Strecken rechnen. „Selbst die Deutsche Bank hat in ihrer Studie gesagt, wenn die Industrie das zahlt, dann schaun wir mal. Sie hat ausdrücklich keine Kredite dafür angeboten.“ Holzapfel kann sich nur vorstellen, daß das Interesse an einem Flughafen zwischen Hamburg und Berlin so groß ist, daß die Transrapidstrecke „ein Trick ist, um den Flughafen dorthin zu bekommen“.

Günther Krause würde den „fliegenden Zug“ ja am liebsten mit einer anderen Lärmquelle verknüpfen, dem Flughafen in Parchim — auf halbem Weg von Hamburg nach Berlin. Dort übt die ehemalige Rote Armee noch bis 1994 Starten und Landen in großem Stil. Danach wäre der Flughafen frei und groß genug auch für Interkontinentalflüge. Parchim wäre mit dem donnernden Supertiefflieger Transrapid aus beiden Metropolen in nur dreißig Minuten zu erreichen.

Doch die brandenburgische Landesregierung ist gegen einen Großlughafen in Parchim, und auch der Berliner Senat kann sich für den Standort nicht erwärmen. Matthias Platzeck, grüner Umweltminister in Potsdam, schimpft lauthals über Krauses Baupläne. Krause versuche offenbar, den von den Landesregierungen schon ad acta gelegten Flughafen in der Minister-Heimat Mecklenburg-Vorpommern wieder ins Gespräch zu bringen. „Unser vorrangiges Ziel in Ostdeutschland muß doch sein, das marode Schienennetz zu restaurieren. Das kostet Milliarden. Jede Mark, die in ein anderes System geht, schadet der Bahn.“ Die Bonner Verkehrsplaner für die fünf neuen Länder wollen zum Beispiel nur die Hälfte der 14.000 Streckenkilometer Eisenbahn dort restaurieren.

Offenen Beifall finden Krauses Pläne hingegen in der CDU/CSU, aber auch bei der norddeutschen SPD. Sowohl die Verkehrs- als auch die Forschungspolitiker der CDU/ CSU hätten die Strecke von Hamburg nach Berlin positiv beurteilt, so Krause gestern. Auch der Hamburger SPD-Senat hat seinen Sympathien für eine solche Transrapid- Strecke erkennen lassen. Wirtschaftssenator Hans-Jürgen Krupp und Umweltsenator Fritz Fahrenholt begrüßten den Transrapid ausdrücklich, allerdings nur, wenn sie nicht zahlen müssen und der Ausbau einer schnellen Schienenstrecke nach Berlin trotzdem erfolgt. Die Schienenstrecke wollen die Hamburger für den Güterverkehr nutzen. Möglichst viele der im Hamburger Hafen angelandeten Container sollen auf die Schiene und von dort aus in die neuen Bundesländer. „Der Güterverkehr auf der Schiene ist für den Hafen lebenswichtig“, so Wirtschaftssprecher Heiko Tornow. Ohne Transrapid, so befürchten die Hamburger, könnten die Bahnkapazitäten zu knapp werden.

1989 hatten Gutachter aus dem Bonner Verkehrsministerium noch geurteilt, daß bis zu 80 Prozent der Transrapid-Passagiere direkt von der Bahn kommen würden. Neue Berechnungen für das Forschungsministerium kommen jetzt zu dem Schluß, daß für die Strecke Hamburg-Berlin möglicherweise nur 50 Prozent der Transrapid-Kunden von der Bahn kämen, noch einmal 50 Prozent von Auto und Flugzeug.

Die Verhinderung des innerdeutschen Flugverkehrs ist nur allzu offensichtlich das Feigenblatt des superteuren und lauten Transrapid. Auch die SPD in Hamburg hat dieses ökologische Feigenblatt entdeckt. Krupp und Fahrenholt in ihrem gemeinsamen Memo: Der Transrapid könne „die wirtschaftlich und ökologisch unvernünftigen Kurzstreckenflüge überflüssig machen und wichtige Zubringerdienste zu einem möglichen Großflughafen bei Parchim übernehmen.“ Solches Taktieren seiner Genossen bringt Albrecht Müller in Rage. „Das ist wirklich das Allerletzte“, urteilt der SPD-Verkehrspolitiker im Bundestag. Flugverkehr brauche man nicht auf den Transrapid zu verlagern. „Man sollte lieber dafür sorgen, daß der innerdeutsche Flugverkehr endlich mit der Mineralölsteuer belastet wird.“ Dann würden Inlandsflüge teurer und weniger begehrt. Sollten nach dem SPD-Fiasko beim Beschleunigungsgesetz jetzt schon wieder einzelne SPD-Länder aus der sachlich begründeten Ablehnungsfront gegen Krauses Verkehrspolitik ausscheren, „dann ist das das Ende der Aktionsfähigkeit der SPD-Bundesratsmehrheit.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen