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Archiv-Artikel

Nicht verpassen! Auf Kopftuchhöhe

„Das Experiment – 30 Tage Muslim“, 21.15 Uhr, RTLII

„Ich glaube, dass muslimische Männer ihre Frauen unterdrücken, ich glaube, dass Männer und Frauen nicht befreundet sein dürfen“, sagt die 26-jährige Stefanie zu Beginn des „Experiments“, das sie für 30 Tage zur gläubigen Muslima machen will. Ihr Fazit: „Das macht mir Angst.“ Stefanies Bild von Muslimen stammt aus zweiter Hand: aus den Medien und aus Geschichten, die man sich erzählt. Doch ihre Vorurteile, sagt RTLII-Unterhaltungschef Marc Rasmus, sind repräsentativ für einen Großteil der Bevölkerung. Mit der Reportagereihe „Das Experiment“ wolle der Sender „sozial relevanten Themen auf Augenhöhe begegnen“. Das Konzept der aktuellen Folge: Eine möglichst neutral eingestellte, nicht gläubige Frau lebt auf Zeit bei einer deutsch-palästinensischen, gläubigen Familie. Dabei sollen wechselseitige Missverständnisse für ein breites Publikum sichtbar werden.

Doch was bei den vorangegangenen Sendungen des Formats „30 Tage im Rollstuhl“ und „30 Tage obdachlos“ funktioniert, lässt sich nicht auf die Religion übertragen. Islam, so formuliert es der Islamwissenschaftler Bekim Agai, ist unter anderem die Vorstellung, dass es nur einen Gott gibt und dass der Mensch ihm dienen muss. Einen Glauben kann man aber nicht einfach für 30 Tage simulieren, wie man auch schwerlich „30 Tage lesbisch“ sein könnte. So beschränkt sich Stefanies Experiment auf Äußerlichkeiten, darauf, sich zu verschleiern und auf der Straße teils kritische, teils freundschaftliche Blicke auf sich zu ziehen. Sie hält ein paar Tage lang die Fastenzeiten ein und lernt im Koranunterricht, dass gläubige Muslime friedliebend sind. Genauso konfliktfrei, wie es der Koran wünscht, verläuft die Sendung. Stefanie und die Gastfamilie Osman führen viele interessante Diskussionen über Keuschheit und Beten, stoßen aber letztlich an keine relevanten Grenzen. Ist es tatsächlich so einfach, als gläubiger Muslim in Deutschland zu leben? Am Ende des „Experiments“ stellt Stefanie fest, dass die Osmans eine extrem nette Familie sind. Das ist schließlich auch eine Erkenntnis. Und Mohammed, der älteste Sohn, hat durch Stefanies Fragen auch etwas über die eigene Religion gelernt. „Zum Beispiel, ob schwangere Frauen auch den Ramadan einhalten müssen.“ Und? „Die Antwort habe ich schon wieder vergessen.“ JUDITH LUIG