Auf Du und Du mit der Ehe: Ehe ohne Krise
■ Forscher sehen positiven Ehetrend und eine neu erwachte Familiendemokratie
Oldenburg – Die Lebensform der Ehe in Europa steckt trotz steigender Scheidungszahlen nicht in der Krise. Zu diesem Ergebnis kommen europäische Familien-Forscher. „Die Ehe genießt weiter eine hohe Wertschätzung“, berichtete am Sonntag nach einem dreitägigen Experten-Treffen an der Universität Oldenburg die Tagungsleiterin Professor Rosemarie Nave-Herz. Hohe Scheidungsraten in den USA würden oft falsch gedeutet. Es gebe auch eine hohe Zahl an Wiederverheiratungen.
Festgestellt haben die Forscher aber auch einen deutlichen Wandel in der Familie. Dieser vollziehe sich vor allem im Umgang zwischen Eltern und Kindern. „Die Hierarchie schwindet überall“, berichtete Nave-Herz. An ihre Stelle trete zunehmend ein demokratischer Stil im Umgang miteinander.
Der Zusammenhang zwischen Kinderkriegen und Eheschließung stellt sich nach den Ergebnissen der Forschung in den Ländern unterschiedlich dar: In Deutschland, Italien, Spanien sowie in den USA ist die Verbindung zwischen Elternschaft und Ehe weiter stark; in den skandinavischen Ländern gibt es dagegen eher eine Entkopplung. Erwachsene in Nordeuropa entschieden sich zunehmend für das Kinderkriegen vor einem Dauer-Bund. Die Situation mit Kind werde als „Test für die Tragfähigkeit der Beziehung“ angesehen, erläuterte Nave-Herz.
Einen deutlichen Unterschied bei der Verknüpfung von Ehe und Nachwuchs registrieren die Familienforscher auch zwischen alten und neuen Bundesländern. In den alten wird nach den Erkenntnissen nur jedes siebte Kind ohne Ehe geboren. In den neuen kommt dagegen jedes zweite Kind nicht-ehelich zur Welt. Das aktuelle Bild entspreche nach kurzer Änderung im Zuge der Wiedervereinigung wieder den Verhältnissen der DDR. Dort seien auch Kinder und Ehe stärker entkoppelt als in den alten Ländern. In annähernd jeder zweiten nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft in der Ex-DDR leben auch Kinder. In den alten Ländern sind Kinder nur bei jedem siebten unverheirateten Paar zu Hause.
Einen auffälligen Unterschied bei der Wertschätzung von Familie und Gemeinschaft gibt es nach den Beobachtungen der Soziologen in Europa zwischen Nord und Süd: In Italien und in Spanien gibt es kaum Singles. Die Bindung an die Familie zeige sich besonders deutlich in Spanien. Zwar würden dort sexuelle Beziehungen vor der Ehe zunehmend toleriert. Gut drei Viertel der Frauen und Männer im Alter zwischen 25 und 29 Jahren lebten jedoch noch im Elternhaus. Ökonomische Motive seien dafür offenbar nicht ausschlaggebend, berichtete Nave-Herz. Denn auch die Berufstätigen und finanziell gut Gestellten unter den Twens lebten so. dpa
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