■ Auf Du und Du mit dem Pantheon der Stars: Ooh, Dieter Thomas Kuhn!
Eigentlich ist für Dieter Thomas Kuhn nach fünf Jahren Schlager mit immer gleicher Show die Zeit der Verrisse gekommen. Doch dann geht er am Morgen seines Konzerts am WG-Fenster vorbei, und ohne es so richtig zu merken, ganz reflexartig, reißt man das Fenster auf und brüllt hemmungslos „Dieter, Dieter“über die Straße.
Abends dann, im vollgestopften Pier 2, ist Dieter Thomas, wie er sein muß, damit ihm die Frauen auch diesmal wieder Trocken- und Plastikblumen auf die Bühne bringen, ihm ohne Umschweife die Zunge in den Hals stecken und nicht abziehen, bevor sie sich ein stattliches Teil seines legendären Brusthaartoupets gesichert haben. Der Goldlametta-Anzug glänzt so hinreißend wie sein blondgewelltes Haar, und aus den Boxen schallt ein Hit nach dem anderen. Das Wort „ficken“, darum bittet er inständig, möchte er für den Rest des Abends nicht mehr hören, aber „poppen“ist ok, weil, das hat etwas mit Rock'n' Roll zu tun. Die Menschen zünden Wunderkerzen an und kuscheln, wenn er beteuert, daß Tränen nicht lügen. Und sie schunkeln bei griechischem Wein, der so ist, wie das Blut der Erde, und sie hören andächtig zu, wenn er sich an Anita oder Michaeeeela erinnert und sie kreischen bei „Hossa, hossa, hossa“und für das „Ti amo“brauchen sie Kuhn schon gar nicht mehr, denn der ist seit Minuten hinter der Bühne verschwunden. Dann kommt er doch noch einmal, beschwert sich, daß er heute nur so wenig Büstenhalter bekommen hat, „höchstens drei oder vier“und jagt das letzte Mal für heute die Kapelle über die Bretter.
Der Hype geht also weiter und irgendwie hilft es ja auch bei der ganz persönlichen Vergangenheitsbewältigung, wenn man sich plötzlich an die Abende mit dem anderen Dieter Thomas in Schwarz-weiß erinnert. Die singende Fönwelle hat sich auch nach fünf Jahren Schlagerrecycling noch nicht überlebt. Wie soll sie auch? Die Lieder, die Kuhn singt, waren tot. Er hat sie erfolgreich reanimiert, doch begraben kann man alles nur einmal. Christoph Dowe
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