piwik no script img

■ „Auf Deutsche geschossen“Emigranten bei der Army

„Ich habe mich über die Bombenangriffe auf Hamburg gefreut.“ Der 82jährige Fritz Beer fühlte nach eigener Angabe eine selbstgefällige Genugtuung, als er von der Zerstörung der Hansestadt im Juli 1943 erfuhr. Zu der Zeit war der deutschsprachige Journalist und Schriftsteller Soldat der Tschechischen Armee – stationiert in Großbritannien. Am Montagabend berichtete er auf Einladung der GAL-Fraktion im Literaturhaus über seine Kriegserfahrungen.

„Warum habt ihr auf Deutsche geschossen?“ lautete der umstrittene Titel der Veranstaltung. Eine Zuschauerin kritisierte: „Damit wird die deutsche Opferrolle bestätigt.“ Erreichen wollten die Veranstalterin, die GAL, gerade das Gegenteil. „Wir setzen einen Kontrapunkt gegen die Tendenz des kollektiven Selbstmitleids in dieser Stadt“, sagte Moderator Peter Zamory. Die Zerstörung Hamburgs sei die unmittelbare Folge des totalen Krieges gewesen, den Deutsche begonnen hatten. Der Titel sollte eine bewußte Provokation sein, um sich von den öffentlichen Gedenkveranstaltungen zum Bomben-Feuersturm abzuheben.

Auch der Belgier Alex Frank hat gegen Deutschland gekämpft. Anfang 1943 flüchtete er aus Frankreich nach England, meldete sich dort freiwillig zur Royal Air Force als Bordschütze. „Weil das die kürzeste Ausbildung war und ich unbedingt eingesetzt werden wollte.“ Und: „Ich wollte nicht gegen Deutsche schießen, sondern so schnell wie möglich das barbarische System zu Fall bringen.“ Inzwischen lebt Alex Frank seit 40 Jahren in Berlin.

Fritz Beer, der heute in London beheimatet ist, hat ein Buch über seine Erfahrung als Soldat gegen Deutschland geschrieben. Erschienen ist es im Aufbauverlag. Der Titel: „Hast du auf Deutsche geschossen, Grandpa?“ Sein Fazit: „Der Preis für die Chance zur Freiheit enthielt sehr viel Leid.“

Torsten Schubert

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen