■ Auch Kroatien versucht, militärisch nachzubessern: Klar Schiff machen
Daß die kroatische Seite eine neue Front im Krieg eröffnet hat, kommt so überraschend nicht. Schon lange brannte das Problem der „Rosa Zonen“ der Regierung auf den Nägeln. Denn diese, noch von den serbischen Truppen erobert, als die Grenzen für die UNO-Zonen in Kroatien Ende 1991 schon abgesteckt waren, wurden als Ärgernis empfunden. Vor allem das Verhalten der UNO, die nach dem Vance-Plan eigentlich für die Überführung dieser Gebiete unter kroatische Hoheit hätte sorgen müssen, stieß vielen Kroaten unangenehm auf. Die Beurteilung der UNO- Politik als proserbisch gründet nicht zuletzt hierauf. Und da das Gebiet um Zadar für den Zusammenhalt des Staates, der dort jederzeit durch eine serbische Offensive zerstückelt werden könnte, von allergrößter Wichtigkeit ist, glaubt sich Tudjman einer großen Zustimmung in Kroatien sicher.
Dennoch muß der Zeitpunkt der Militäraktion nicht nur auf serbischer Seite bedenklich stimmen. Gerade in den letzten Wochen war es den UNO-Unterhändlern gelungen, der serbischen Seite in der Frage der Reparatur der Maslenica-Brücke Zugeständnisse abzuringen. Offensichtich will die kroatische Führung die Gelegenheit ergreifen, im Windschatten der bosnischen Ereignisse in Kroatien selbst klar Schiff zu machen. Angesichts der Art und Weise, wie die Verhandlungen in Genf geführt werden, ist das Argument, die Verhandlungen dienten nur dazu, Fakten zu legitimieren, ja auch keineswegs von der Hand zu weisen. Da die Unterhändler der EG und der UNO, Owen und Vance, ein Paradebeispiel dafür abgeben, wie das taktische Spiel der serbischen Seite honoriert wird, möchte auch die kroatische Seite nicht mehr hintenanstehen. Die Kämpfe in Gornij Vakuf, wo kroatische Truppen die bosnischen Verteidiger eingeschlossen haben um sich die vollständige Kontrolle über das „ihnen zugesprochene“ Gebiet bis Travnik zu sichern, war schon deutliches Signal. Der kroatische Präsident hat keineswegs dem Traum entsagt, mit einer Teilung Bosniens und der Rückgewinnung der von Serben besetzten Gebiete Kroatiens endlich das kroatische Staatsgebiet wiederherzustellen und abzurunden.
Dennoch wird die jetzige Aktion wahrscheinlich nicht unmittelbar zu einem umfassenden Krieg in Kroatien führen. Sie ist jedoch das Zeichen eines selbstbewußteren Auftretens der kroatischen Führung und Armee. Letztere wurde ja in den letzten Monaten nicht unerheblich aufgerüstet. Und da die serbische Seite nun an vielen Fronten zu kämpfen hat — sogar bei anhaltendem Kämpfen der neuerlichen Diskussion um ein militärisches Eingreifen des Westens gegenübersteht — könnte dieses Kalkül der kroatischen Führung aufgehen. Erich Rathfelder, Zagreb
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