: Auch Jungfern zahlten Steuern
■ Die Berliner Kassen waren fast immer leer: Um ihre teuren Kriege zu finanzieren, besteuerten die preußischen Könige Vergnügungen, Perücken und Pantoffeln
Im Berliner Landeshaushalt klafft ein riesiges Loch: Mit einer Netto-Neuverschuldung von 7,5 Milliarden Mark im Jahr 1994 steuert der Stadtstaat einem neuen Rekord entgegen. Das Geld war in der Berliner Geschichte jedoch meistens knapp, zumal es sich brandenburgisch-preußische Kurfürsten und Könige nicht nehmen ließen, immer wieder kostspielige Kriege zu führen. In solchem Falle mußten Beamte ihre Köpfe rauchen lassen, wie die Bürger der Stadt noch mehr zur Kasse gebeten werden konnten. Meistens geschah dies durch höhere Steuern und verzollte Waren, wobei die alten Preußen – wenn es ums Geld ging – erfinderischer waren als ihre heutigen Nachkommen.
Die Vergnügungssteuer ist zum Beispiel eine Kreation von Friedrich Wilhelm I., der von 1713 bis 1740 regierte und „Soldatenkönig“ genannt wurde. Majestät verfügte „hiermit jedermänniglich zu wissen, daß alle in Unsern Städten sich aufhaltenden Musikanten, jedesmal da sie auf Hochzeiten, Kindtaufen, Ehrenmalen, Gelagen und zum Tanz oder sonsten zur Lustbarkeit mit der Musik aufwarten wollen, zuvor von der Akzisekasse einen gestempelten Zettel, der nur einen Tag gültig ist“, lösen und bezahlen sollten. Wer dies vergaß, entrichtete sechs Taler Strafe und handelte sich im Wiederholungsfall Berufsverbot ein.
Die Historie verzeichnet auch kuriose Abgaben an den Staatshaushalt – beispielsweise für das Tragen von Perücken, den Besitz von Strümpfen und Pantoffeln. König Friedrich I. (1701 bis 1713) forderte von unverheirateten Frauen seines Imperiums vierteljährlich sechs Groschen „Jungfernsteuer“. Wenn diese und andere Staatseinkünfte nicht mehr reichten, blieb als letzte Möglichkeit die von jedermann zu blechende „Kopfsteuer“. In einem zur Zeit des Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1640 bis 1688) erlassenen Gesetz war festgelegt, daß Hoheit dabei mit gutem Beispiele vorangehen und jährlich 1.000 Taler zu entrichten hatte. „Ihre Kurfürstliche Durchlauchtigkeit zu Brandenburg, unsere gnädigste Frau“ mußte halb so viel zahlen, „des Kurprinzens Hochfürstliche Durchlaucht“ 200 Taler. Eine Kammerjungfer wurde mit zehn, ein Baron mit 30, ein Scharfrichter mit zehn, ein „fürnehmer und bemittelter Schüler in den Gymnasiis und Schulen“ mit einem Taler zur Kasse gebeten. Die „geringeren“ Bürger zahlten acht Groschen.
Eine Hundesteuer wurde in Berlin 1830 eingeführt. Ursprünglich war sie dem Zwecke zugedacht, die überhandnehmende Zahl der vierbeinigen Tiere zu verringern. Nachdem dies nicht gelang, machte der Magistrat aus der Not eine Tugend und verordnete, daß die Abgabe zweckdienlich zum Bau von Trottoirs (Fußwegen) verwendet wurde. Auf diese Weise sind zum Beispiel 1840 „neuneinhalb Meilen Granitbahn“ verlegt worden, und fortan konnte es für den Kämmerer im Rathaus nicht genug Hunde in der Stadt geben.
Noch heute werden Abgaben auf Hunde, nicht aber zum Beispiel auf Katzen und Wellensittiche erhoben. Berlin nimmt von den Bello-Besitzern jedes Jahr etwa 15 Millionen Mark ein – recht wenig im Gegensatz zur Gewerbesteuer, die mit mehr als 1,1 Milliarden Mark zu Buche schlägt. Auch wer übermäßig Vermögen hat, Grund erwirbt, sich ein Auto hält oder etwas Kostbares erbt, zahlt an städtische Finanzämter. Ebenso verdient Berlin in seiner Doppeleigenschaft als Bundesland und Gemeinde an Lotterien, Wetten, Feuerschutz und Bier.
Auch Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) brütet über neuen Steuern. Die wissenschaftlich- technische Revolution macht es zum Beispiel möglich, künftig Besitzer von „Killerautomaten“, an denen Menschen computermäßig getötet werden, mit einer Spezialabgabe zu belegen. Allerdings bringen Steuern heutzutage nur ein Drittel des in kommunale Kassen fließenden Geldes. 1994 sollen dies in Berlin etwa 15,8 Milliarden Mark sein. Die bislang nicht eingetriebenen Steuerrückstände von Firmen und Einzelbürgern belaufen sich indessen auf mindestens eine Milliarde Mark. ADN/taz
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