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Archiv-Artikel

Atomwaffenfreies Festival

Nach zwei Jahren Pause nimmt das Mülheimer Theater an der Ruhr am 25. Fadjr Theaterfestival in Teheran teil. Ab Montag zeigt es dort Georg Büchners „Dantons Tod“ und Shakespeares „König Lear“

VON PETER ORTMANN

So ein Fallbeil ist eine saubere Sache. Kopf ab. Garantierter Exitus. Kein Giftcocktail, der Todeskandidaten über die Maßen stresst. US-amerikanische Henker hätten von der französischen Revolution lernen können. Das wollen in der nächsten Woche die Iraner. Der Regisseur und Schauspieler Roberto Ciulli kommt mit seinem Theater an der Ruhr zum Fadjr-Festival nach Teheran. Mit einer Theaterkarre, in dem die Guillotine wie ein Schnellfeuergewehr arbeitet, und mit einem Zirkuswagen voll desillusionierter Revolutionäre. Ausgerechnet Georg Büchners „Dantons Tod“ und Shakespeares „König Lear“ haben sich iranischen Organisatoren in Mülheim ausgesucht. Beide Stücke besitzen nichtatomaren Theater-Sprengstoff. „Die sind intellektuell schließlich nicht naiv“, sagt Dramaturg Helmut Schäfer, der die interkulturelle Bühne im Raffelbergpark vor 25 Jahren mitgegründet hat.

Das Mülheimer Theater ist der einzige deutsche Vertreter im Iran. Trotz der politischen Spannungen wird die Truppe fahren. Angst hat man nicht „Wir haben das Festival zwei Jahre lang liegen gelassen“, sagt Schäfer. Sie wollten erst einmal die politische Entwicklung im Iran abwarten. Doch nun sei es wieder Zeit. „Wenn wir nicht fahren, werden immer die Falschen bestraft“, begründet er diesen Schritt. Die Falschen seien die total theaterbegeisterten Iraner und ihre unzähligen Theatermacher und die sollten nicht weiter in die Isolation geraten. Dazu ist das Fadjr Festival 2007 genau so alt wie die Mülheimer Bühne und immer noch ein Gradmesser für das Toleranzpotential der Mächtigen in der iranischen Republik.

Die Plattform für den Kulturaustausch mit dem gesamten Nahen Osten wird vom Dramatic Arts Centre in Teheran organisiert. Die Abteilung des iranischen Kultusministeriums hat 15 Produktionen aus dem Ausland und 40 iranische Neu-Produktionen ausgewählt. Außerdem finden internationale Seminare und Workshops statt. „Fadjr“ heißt eigentlich Morgenröte. Gegründet wurde das Festival ursprünglich als Feier der Revolution. Deshalb dauert es ab kommendem Montag auch genau zehn Tage, genauso lange, wie Khomeini damals brauchte, um aus dem französischen Exil zurückzukehren.

„Theater spricht eine universelle Sprache, die Menschen jenseits aller nationalen, kulturellen, religiösen und politischen Unterschiede verstehen“, sagt Roberto Ciulli. Er ist in Teheran ein bekannter Gast und hat sein Jubiläum in Mülheim gerade mit Theatergruppen aus Iran, Irak, Zentralasien, Tunesien, Türkei, Serbien und Montenegro gefeiert. Mehr als 34 Länder hat er seit der Gründung bereist, mindestens ebenso viele Theater aus diesen Ländern waren zu Gast im Theater an der Ruhr. „Nach dem Stimmenverlust der radikalen Partei Ahmadinedschads bei den jüngsten iranischen Kommunalwahlen und der Entscheidung des UNO-Sicherheitsrates für Sanktionen gegen den Iran erhält die Wiederherstellung des Kontaktes zwischen der iranischen Theaterszene und unserem Theater eine besondere kulturpolitische Bedeutung“, sagte Bühnenchef Ciulli. Deshalb soll in Teheran auch eine neue Absichtserklärung zwischen dem Dramatic Arts Center und seinem Theater unterzeichnet werden. Vorgesehen sei ein Austausch von Aufführungen, Koproduktionen und Workshops in den nächsten drei Jahren.

Doch wer weiß heute schon, was passiert, wenn der verrückt gewordene König Lear über die Bühne der Teheraner Vahdat-Halle in seinen Shakespearschen Untergang gestolpert ist.