piwik no script img

Atomstrom vor VersteigerungLizenz zum Weiterstrahlen

Die Bundesregierung liebäugelt mit einer Versteigerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken. Eine spätere Rücknahme durch eine neue Regierung würde dadurch teuer.

Durch das Auktionsmodell könnten Laufzeitbegrenzungen umgangen werden. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Atomkraftwerke Biblis A und Neckarwestheim 1 müssen nach den rot-grünen Atomausstiegsplänen noch in diesem Jahr vom Netz gehen. Die schwarz-gelbe Koalition arbeitet allerdings intensiv an einem Ausstieg aus dem Ausstieg. Bereits im April hatte das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) einen eigenen Vorschlag zum Thema ausgearbeitet: Die Restlaufzeiten sollen als Strommengen versteigert werden. Diesen Vorschlag hat die Financial Times Deutschland nun Koalitionspolitikern vorgelegt. "Das ist ein interessanter Vorschlag, der eine ernsthafte Prüfung verdient", antwortete jetzt Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU).

Doch die Idee hat einen Haken: Statt den Atomausstieg nur weiter hinauszuzögern, würden die vier großen, deutschen Energiekonzerne damit Lizenzen erwerben, die ihnen den Weiterbetrieb ihrer Reaktoren absichern. Diese Regelung könnte zwar auch Geld in die Staatskasse spülen, sie würde eine Laufzeitverlängerung jedoch gleichzeitig de facto zementieren und ihre Rücknahme durch eine neue Regierung teuer machen.

"Die Konzerne könnten in solch einem Fall wahrscheinlich geltend machen, dass sie das Recht zum Weiterbetrieb der Atomkraftwerke gekauft haben", sagt der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart. Denn die Rechte bis zum Laufzeitende würden möglicherweise bereits in einer einzigen Auktion versteigert werden. "Alle Beteiligten wollen ja Planungssicherheit."

"Kein Kommentar", hieß es gestern aus den Energiekonzernen zu den Plänen. Mit einer Ausnahme: RWE-Sprecherin Annett Urbaczka wies auf den Fondsvorschlag der Unternehmen hin. "Eine Fonds-Lösung ist am besten geeignet, um Gesellschaft und Staat an den Mehrerlösen einer Laufzeitverlängerung zu beteiligen." RWE, EnBW, Eon und Vattenfall wollen in einen Fonds einzahlen, mit dem die Bundesregierung erneuerbare Energien fördern soll.

Die Grünen kritisierten die Versteigerungspläne. "Ausgerechnet den ältesten Reaktoren Biblis, Brunsbüttel und Neckarwestheim sollen mehr oder weniger unbegrenzte Laufzeiten zugeschanzt werden", sagte Michael Schroeren, Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Zudem wäre eine zukünftige Bundesregierung an die Versteigerung gebunden. Nur mit finanziellem Aufwand wäre es dann möglich, diesen Prozess rückgängig zu machen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

16 Kommentare

 / 
  • MB
    Martin Bessay

    Es war noch nie eine gute Idee, die eigene Großmutter zu verkaufen. Absolut aberwitzig aber wäre eine Versteigerung. Bernward Janzing findet in seinem Kommentar "Bislang nur graue Theorie" unter bestimmten Voraussetzungen wäre die Versteigerung von Restlaufmengen "eine gute Idee" [taz, 14.07.2010, S. 12]. Hoffentlich meint er das ironisch; aber ich bin entsetzt darüber, dass sein Kommentar keine Spur von Ironie verrät. Das einzig gute an dieser Idee ist, dass sie verdeutlicht, worin die christliche Leitkultur der CDU besteht: alles ist gut und christlich, was Geld in die Kassen spülen könnte, möglichst in die schwarzen Kassen oder doch wenigstens in die Kassen der eigenen Klientel.

    Die Diskussion über die Versteigerung von AKW-Laufzeiten verrät eine moralische Verkommenheit unserer Regierung, die völlig unüberbietbar geworden ist. Man kann die Frage der Sicherheit nicht von der Art der Finanzierung und der Besteuerung trennen. Mit einem Verkauf von Laufzeiten würde die Kontrolle der Atomkraftwerke geschwächt. Hier wird darüber nachgedacht, mit unserer Zukunft und unserer Sicherheit zu spekulieren. Eine Finanzkrise ist ein Zuckerschlecken im Vergleich zu einem drohenden Atomunfall. Wir nähern uns einem geistig-moralischen GAU.

  • V
    vic

    Wer so ich wie ich gegen den Betrieb von AKWs ist, muss einfach nur zum Okostromversorger wechseln.

    So schnell könnt ihr gar nicht gucken, wie dann der Ausstieg vollzogen wird. Kein Profit-kein AKW!

    It`s the economy, stupid.

    Aber Achtung. ECHTE Ökostromversorger gibt`s nicht viele.

  • H
    Hofmann,M

    Tsja ohne Kernenergie wird den erneuerbaren Energien etwas fehlen. Die erneuerbaren können nicht ohne Kernenergie aber die Kernernergie kann ohne die erneuerbaren. Die Atomkraft hat uns Jahrzehnte Wohlstand und Sicherheit gebracht. Das wird mit den erneurbaren Energien nicht mehr sein. Der Strom wird in Deutschland zum Luxusgut. Das Allgemeingut wird Mangelware.

  • ST
    Stefan Thiesen

    Das ist jetzt keine Satire, oder? Ich hätte da noch einen Vorschlag, mit dem sich gut Geld verdienen ließe: die Versteigerung von Ausnahmegenehmigungen zur Geschwindigkeitsbegrenzung! Wer nur genug bezahlt, der darf auf Autobahnen und Landstraßen so schnell rasen, wie er will! Da kommt bestimmt einiges zusammen. Wen kümmert schon das Risiko! Hauptsache Geld. Und die Schäden aus den resultierenden Unfällen kurbeln auch wieder die Wirtschaft an! Neue Autos müssen gekauft werden - und Kindersärge natürlich. Auch auf Umweltverträglichkeitsprüfungen und Sicherheitsvorschriften können wir auf die Art verzichten. Genehmigungen für Industrieprojekte werden einfach versteigert, und auf die umständlichen Sicherheitsprüfungen verzichten wir. Indirekt läuft das ja eh schon so. Siehe Golf von Mexiko...

  • S
    Stefan

    Die Versteigerungsinitiative ist eine großartige Möglichkeit für Anti-AKWler! Wir sollten die Laufzeiten gemeinsam ersteigern und dann verfallen lassen.

     

    Dazu muss Schwarz-Gelb aufgefordert werden, die Auktion freizugeben, so daß nicht nur die Mitglieder des Strom-Oligopols als Bieter zugelassen werden.

     

    Diese einmalige Gelegenheit sollten wir uns nicht entgehen lassen!

  • J
    Jannis

    1. Die Auswechslung Norbert Röttgens ist ein Vorschlag, der durchaus eine ernsthafte Prüfung verdient.

     

    2.Die dreiste Unehrlichkeit der Stromkonzerne zeigt sich unvorstellbar deutlich in dem Fonds-Vorschlag:

     

    Zitat: "Eine Fonds-Lösung ist am besten geeignet, um Gesellschaft und Staat an den Mehrerlösen einer Laufzeitverlängerung zu beteiligen." RWE, EnBW, Eon und Vattenfall wollen in einen Fonds einzahlen, mit dem die Bundesregierung erneuerbare Energien fördern soll.

     

    Ich sage: Diese Lösung wäre am besten dazu geeignet, dass das Geld, welches die Konzerne bezahlen, auch auf ganz ganz sicherem Weg wieder zu Ihnen zurück fließt! Von wegen Gesellschaft und Staat beteiligen. Hier wird wider besseren Wissens so getan, als seien erneuerbare Energien subventionsbedürftig bzw. nicht rentabel und die armen armen Energiekonzerne müssten das bezahlen.

     

    Im Gegenteil: Sie verdienen so oder so das Geld, egal mit welchem Energieträger. Die Frage ist nur, wieviel zusätzlichen Gewinn sie noch aufgrund von leichtgläubigen Politikern und Volksverdummung oben drauf packen können.

  • LF
    Lukas Fledermaus

    Wir leben in jeder Beziehung auf Pump zum Schaden aller Folgegenerationen der Menschheit. Wie kann man überhaupt in unserer westlichen Zivilisation sich darüber Gedanken machen, noch mehr Strahlabfälle zu produzieren. Wer zahlt die Aufpasser für diesen Müll? Natürlich werden wir auch ohne Atomkraftwerke nicht ohne Strahlenmüll auskommen (z.B. Medizin u. Forschung). Aber lieber subventioniere ich heute Technologien, die morgen ohne solch gefährlichen Müll auskommen und annähernd resourcenfrei für immer Energie liefern als noch einen Cent in die bestehende Atomindustrie zu werfen. Das Argument: "Die anderen machen es aber auch und lachen uns aus.", lasse ich nicht gelten. Wir müssen den Ausstieg erzwingen und vor allen anderen beweisen dass es ohne geht. Oder sind wir etwa Kinder, denen man dann sagen muss: "Wenn der Andere ins Wasser springt, springst dann auch nach?" Manchmal meint man schon von Kindern regiert zu werden.

  • LR
    Lada Rhababa

    Wenn man diesen Gedanken weiterverfolgt, dann kann man für fasst alle Probleme heutzutage eine ähnliche Lösung finden.

     

    Beispiel Rentenversicherung: Die Alten werden versteigert. Die soziale Verpflichtung bliebe für den Staat erhalten, der Staat bezahlt den Unterhalt bis zum Tod. Die Teilnehmer der Auktion bieten, den Zuschlag bekommt der, der AM WENIGSTEN für den Unterhalt des Alten bis zum Lebensende verlangt.

     

    Je früher der Alte stirbt, um so rentabler war er dann für den Ersteigerer. Nun gut, es gibt dann sicher eine gewisse Versuchung, nachzuhelfen.

     

    So was gab es schon mal, im 19. Jahrhundert, ich glaube in Schweden.

     

    Also: Zurück in die Barbarei. Wollen wir das wirklich?

  • DS
    Das Selbst

    In einen Fonds einzahlen um damit erneuerbare Energie zu finanzieren. Also das Geld den 4 Großen wieder zurück geben? Ein toller vorschlag.

  • DB
    Dirk Bruehl

    Diese Versteigerung ist der grosse Trick, mit dem die Zustimmung des Bundesrates umgangen werden soll und der jeden Einspruch verhindern soll.

    Dieser Versteigerungs-Coup ist vergleichbar mit der Machtergreifung Hitlers.

    Wenn diese Versteigerung erst einmal stattgefunden hat, dann ist Deutschland verkauft. Fuer ein Linsengericht.

     

    Wie koennen wir Deutschen uns gegen diese Willkuermassnahmen der Bundesregierung durchsetzen?

  • V
    vic

    Es kann nicht angehen, dass eine für vier Jahre gewählte Regierung derart brisante Entscheidungen trifft, die Auswirkungen für Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte hat und einen untragbaren Zustand zementiert.

    Dieser Regierung geht es nicht um Sicherheit, nicht einmal um die Gewinne der Energiekonzerne. Es geht ihr darum, eine Laufzeitverlängerung möglichst hübsch zu verpacken, damit sich der Urnenpöbel beruhigt zurücklehnen kann.

    Diese Regierung ist gefährlich!

  • T
    Tony

    Die Parallele zur Versteigerung der UMTS-Lizenzen ist offensichtlich, und mittels des Verweises auf diese wird gerne die Effizienz solcher Versteigerungen angepriesen. Wenig bekannt hingegen sind folgende Tatsachen: die bei der Versteigerung der UMTS-Lizenzen realisierten Preise lagen weit über dem erwarteten Wert... die Mobilfunkfirmen zahlten unerwartet viel für die Lizenz, und die Bundesregierung konnte sich über zusätzliche Milliarden freuen. Dieses Ergebnis lässt sich allerdings nur damit erklären, dass das Kalkül der großen Anbieter darin bestand, kleinere Mitbewerber durch unerwartet hohe Gebote aus dem Wettbewerb zu verdrängen. Die entstanden Kosten könnten dann die verbleibenden Unternehmen problemlos aufgrund mangelnder Konkurrenz von ihren auf sie angewiesenen Kunden durch Preissteigerungen wieder eintreiben. Für die UMTS-Lizenzen ist das Kalkül nicht aufgegangen, da diese ein Schuss in den Ofen waren und auf keinerlei Interesse seitens der Kunden stießen. Telekom, Vodafone etc. haben lange die Folgen ihrer erfolglosen Strategie verdauen müssen.

     

    Für Strom dürfte die Situation eine andere sein, da es schwer fällt auf diesen zu verzichten. Im Falle einer Versteigerung könnte diese daher zu einer weiteren Reduzierung der Zahl von Anbietern führen, mit der Folge dass einzig ein wenige Anbieter mit letztlich hochpreisigen Angeboten verbleiben.

     

    Ob der beschriebene Effekt zu einem Vorteil für erneuerbare Energien führen würde ist hingegen unklar. Hier stellt sich die Frage nach der zukünftigen Politik von Schwarz-Gelb und der Förderung von alternativen Quellen. Aufgrund der prinzipiell "wirtschaftlichen Orientierung" der Regierung könnte sich die Auktion durchaus als Geschenk an die großen Anbieter entpuppen.

  • G
    Gustav

    Heißt das im Umkehrschluss, dass wenn ein Nicht Atomstromkonzern die Rechte kauft, der Preis für RWE, eOn, und co steigt und die Laufzeitverlängerung damit kürzer als gewünscht ausfällt?

     

    Schließlich funktionieren Auktionen vor allem dann gut, wenn viele Interessenen ein knappes Gut haben wollen.

     

    Leute, guckt schon mal in Eure Sparschweine..

  • MK
    M. Kleiser

    Das ist ein Grundpoblem dieser Demokratie: Mit 50% +1 Stimme im Budnestag werden langfristige Verträge mit, Firmen, anderen Ländern und supranationalen Organisationen abgeschlossen, aus denen dann die nächste Regierung praktisch kaum noch raus kommt.

    Mit einer Wahl sollte man Macht auf Zeit vergeben. Aber mit solchen Methoden wird das untrerlaufen.

    Ich fände eine verpflichtende 2/3-Mehrheit für alle Entscheidnungen, die nicht mehr problemlos in der nächsten Leistalturperiode zurückgenommen werden könnnen, sinnvoll.

  • BB
    Bernd Baron

    Erde an Röttgen, Erde an Röttgen

     

    - WIR wollen k e i n e Atomkraftwerke mehr!! -

     

    Ob Sie das auch Ihrer und unserer Bundeskanzlerin endgültig verdeutlichen können!

  • FN
    Fritz Noss

    Armes Deutschland: Die eigene Regierung ist im Begriff, Ihre Bürger zu verkaufen!!!

     

    Das ist Bestechung !!!

    4 Konzerne buhlen!

     

    Wie blöd sind wir denn in Deutschland, um uns dies Gefallen zu lassen: Strahlende Bürger!

     

    Unsere Regierung verkauft Seelen: Merkel & Co gehen damit vorsätzlich "über Leichen": Krebs, Krankheit und Tod, nur weil die Staatskasse leer sind! - Wie soll das weitergehen? - Gesundheit und Sicherheit sollten eindeutig Priorität vor Profitgier haben!

     

    Dies dient nur 4 Konzernen, die es in 10 oder 50 Jahren nicht mehr geben wird! WIR und 2.500 Generatationen nach uns (!!!) leben aber mit den entsetzlichen Folgen dieser kurzsichtigen Löcherstopferei!

     

    Alles geschieht auf dem Rücken der Bürger, sowie der Menschen unserer Nachbarländer!

     

    Die Entsorgung ist in keinem Land de Erde gelöst!

    Der Abfall strahlt 1.000.000 Jahre!

     

    Um diese Kosten und gerade auch die Kosten der Sanierung der bisherigen "Erkundungslager" zu bezahlen, müßten die 4 Konzerne Beträge berappen, die die Produktion sofort unwirtschaftlich machen! - Wer weiß, welche Währung es in 10, 100 oder 1.000 Jahren geben wird? Wie hoch kalkualieren die Konzerne diese gewaltigen Kosten! - Wer hier noch von "Gewinn" redet, ist unseriös: Es werden JETZT Gelder vereinnahmt getreu dem Motto: nach mir die Sinnflut!

     

    Deswegen und aus vielen anderen Gründen müssen die Atomkraftwerke SOFORT abgeschaltet werden!!!

     

    Kein Unternehmer oder Bürger darf seien "Dreck" einfach der Allgemeinheit zumuten bzw. frech aufbürden!