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AtommüllGeld für französisches Endlager

Deutschland finanziert Atomendlager-Forschung im französischen Bure. Die "ermutigenden" Ergebnisse im Tongestein liefern Argumente gegen Gorleben.

Die Kühltürme des AKW in Cattenom: Auch Frankreich sucht noch nach einem Endlager für den Atommüll. Bild: dpa

BERLIN taz Deutschland finanziert die Erforschung eines Endlagers für hochradioaktiven Müll in Frankreich mit. Wie das Wirtschaftsministerium auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke offenlegte, wurden von 2000 bis 2007 rund 1,6 Millionen Euro zur Erforschung eines Endlagerstandorts in Bure - im Grenzbereich Lothringens zur Champagne - ausgegeben. Dort betreibt die französische Atomagentur Andra ein unterirdisches Forschungslabor, um Informationen darüber zu gewinnen, ob das dortige Tongestein als Endlager geeignet ist. Der Standort liegt 130 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt.

Bis zum Jahr 2011 wird Deutschland eine weitere Million Euro für Forschung in Bure ausgeben, heißt es in der Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums, die der taz vorliegt. Seit 2001 sind regelmäßig sogar Mitarbeiter der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Bure vor Ort. Die Begründung des Ministeriums: "Da in Deutschland ein Untertagelabor im Tonstein nicht verfügbar ist, kann Forschung in diesem Wirtsgestein nur im Ausland durchgeführt werden."

Politisch brisant daran ist nicht allein die Tatsache, dass Deutschland in Frankreich offenkundig systematisch Endlagerforschung finanziert. Auch die Ergebnisse der Forschungen könnten die gesamte Endlagerdiskussion in Deutschland weiter anheizen. Denn das Wirtschaftsministerium teilt in seiner Antwort mit, "umfangreiche Langzeit-Diffussionsmessungen liefern erste ermutigende Ergebnisse". Im Klartext heißt das: Tongestein ist als Endlagerformation doch nicht so ungeeignet, wie es das Bundeswirtschaftsministerium bisher immer glauben machen wollte. Auch die Schweiz setzt auf Endlagerung in Tongestein.

Wirtschaftminister Michael Glos (CSU) kommt diese Diskussion freilich gar nicht recht. Er möchte den deutschen Atommüll bekanntlich am liebsten ohne weitere Verzögerungen in den Salzstock Gorleben bringen. Denn die bislang ungeklärte Entsorgung der hochradioaktiven Abfälle ist nicht gerade geeignet, das Image der Atomenergie zu fördern. Zudem blockt der Bayer Glos die Diskussion über Tongestein auch aus einem anderen Grund immer wieder ab, wie man unterstellen darf: Tongestein gibt es auch in Bayern und Baden-Württemberg. Würde Tongestein in den Fokus der Endlagerdebatte rücken, wäre auch Süddeutschland nicht mehr außen vor. Auch Forschungsministerin Annette Schavan, die viele Jahre Ministerin in Stuttgart war, bezeichnet Gorleben daher als "alternativlos".

Hans-Kurt Hill, energiepolitischer Sprecher der Linksfraktion, fordert nun, das lange diskutierte, aber nie angegangene ergebnisoffene Suchverfahren endlich auf den Weg zu bringen. Außerdem müssten die Daten und Erkenntnissen aus der atomaren Endlagerforschung in Frankreich offengelegt werden. Er fürchtet, dass die Union "Fakten unterschlagen" wolle, um den Standort Gorleben durchzusetzen und eigene Wähler in Süddeutschland nicht zu vergrätzen.

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9 Kommentare

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  • BG
    Bürger G.

    @ Euklides Al-Biruni: Hier geht es nicht einfach darum zu irgendedwas zuzustimmen was einem nett und richtig erscheint.... Es geht um Tatsachen! Schön, dass Du meine Tatsachen einfach nicht entkräften kannst sondern einfach nur Meinungsäußerung und beipflichtigungen betreibst: WISSENSCHAFTler kannst Du nicht sein

     

     

     

    HASTA PRONTO!

  • EA
    Euklides Al-Biruni

    @ Bürger G.: Nicht dogmatisch sein zu wollen und es tatsächlich nicht zu sein, sind zwei verschiedene Dinge. vgl. dazu auch mein heutigen Kommentar zu:

    http://www.taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/1/gewaltiges-potenzial-fuer-erneuerbare/

     

    Ausdrücklich zustimmen möchte ich übrigens den Antworten von Anne hier unten und auch bernhard wagner, nicht zuletzt seinem letzten Satz.

  • BG
    Bürger G.

    Zum CO2: Liebe Anne: da musst Du das Ökoinstitut fragen, sie zeichnen sich aber nicht dadurch aus, dass sie pro Kernenergie sind!

    Darüber hinaus hat Anne das CO2 Thema angeschnitten, nicht ich, ich habe nur geantwortet

     

    zur Endlagerung: Endlagerung bedeutet NACHSORGEFREI, das bedeutet, dass CO2 keine Rolle mehr spielt!

     

    zum Wasserdampf: Richtig ist, dass Wasserdampf einen Effekt auf das Klima hat, aber der Wasserdampf aus den laufenden ca. 450 Kernkraftwerken weltweit spielt überhaupt keine Rolle! Die Erwärmung der Flüsse spielt im globalen Klima ebenfalls keine Rolle! Dieses Argument wirkt somit ein wenig "unbeholfen"

     

    zu den Zeugen Jehovas: Ich bin in der Energiefrage nicht religiös im Gegensatz zu Euch! ich bin kein Ideologe wie Ihr! Ich sehe es REALISTISCH und habe schon mehrfach erklärt, dass ich EE befürworte!

     

    Zur Leukämie: Die Studie sagt aber "leider" auch eindeutig, dass die Kernenergie NICHT als Veursacher in Betracht kommt: Des Weiteren ist mittlerweile in Fachkreisen bekannt, dass an die Studie "falsch" herangegangen wurde. Frage: Warum kommt bei weltweiten Untersuchungen immer nur in Deutschland solche Ergebnisse raus? Niemand sonst auf der Welt findet diesen Zusammenhang!

     

     

     

    Nachtrag zu Asse: Bärbel Hohl musste übrigens bei ihrer nachfrage im Bundestag erfahren, dass gerademal 30% der Fässer in Asse aus der elektrischen Stromerzeugung stammen und diese gerademal 5 % des gesamtinventars ausmachen! Nun? Brauchen wir wohl ein endlager auch OHNE Kernenergie! Nicht wahr ;-)

  • BW
    bernhard wagner

    He Bark Wind: Der 'Bauer' ist dabei noch nicht einmal verloren! vgl. v.a. Annes Argumente bzgl. Wassererwärmung und der 1 Mio Jahre "Entlagerung", deren nötige Maßnahmen ja heute kaum abschätzbar sind und damit auch nicht der damit verbundene CO2 Ausstoß

     

    - naja, vielleicht ist ja bei Einsetzen der nächsten Eiszeit CO2 Ausstoß wieder wünschenswert, aber darauf zu spekulieren, wäre wirklich 'naiv' und kann nicht als ernsthaftes Gegenargument zählen.

     

    Richtig finde ich aber auch, dass die Risiken der Atomanlagen ein mindestens gleichgewichtiges Argument zu Klima-Argumenten sind.

  • BW
    Bark Wind

    Ich stimme Anne zu. Wenn es ein Schachspiel wäre, würde ich manchem Bürger sagen: Nehmen sie den Bauern ruhig. Er bringt nichts entscheidendes, zeigt aber, dass CO2 äquivalente Emission je installierter Leistung eben lange nicht das einzige wichtige Argument ist.

     

    Übrigens erkranken und sterben im Umkreis von AKW in Deutschland nachweislich signifikant häufiger Menschen an Leukämie. Schon ganz ohne Unfall, Terroranschlag, Atommülltransport- u. Lagerungsprobleme u.s.w.

     

    Natürlich gibt es viele Bürger, die das schlicht bestreiten, es ist leider trotzdem eine Tatsache!

    Wie sagte neulich einer: "Sie haben Ihre Meinung. Tatsachen irritieren Sie bestimmt nur" - und meinte vielleicht an solchen Punkten sich selbst!?

  • A
    Anne

    Ergänzung: Was das Ökoinstitut meines Wissens ebenfalls nicht mitbedacht hat, sind z. B. die Folgen der Erwärmung des Flusswassers durch die Kühlung der Atomanlagen, sowie der Wasserdampf aus den Kühltürmen.

     

    Nach neueren Studien kann z. B. wärmeres Wasser weniger CO2 absorbieren und Wasserdampf ist nach anderen, ebenfalls neueren Studien ein bisher vernachlässigtes "Treibhausgas". Beides spielt bei der Klimakatastrophe ebenfalls eine Rolle.

  • A
    Anne

    Falls das annähernd richtig berechnet ist (es hängt z. B. davon ab, wie lange die Anlagen in Betrieb sind, dazu von der Bauweise und v.a. auch vom Wirkungsgrad, und dieser wird sich bei Wind- und Solaranlagen in naher Zukunft noch deutlich erhöhen - allein z.B. durch Verzicht auf Getriebe bei Windrädern durch MRT), bleiben aber bei Kernkraft die Riskien, die gar nicht in CO2 Äquivalenten zu berechnen sind.

     

    Übrigens: Die Endlagerung kann das Ökoinstitut doch gar nicht seriös mit-berechnet haben, weil das bis heute völlig ungeklärt ist. z. B. Welche Maßnahmen da in den nächsten 1 Mio Jahre nötig sein werden ...

     

    Was den Umgang mit den Risiken angeht, sind mit AKW BefürworterInnen Diskussionen nach meiner Erfahrung in mehr als 90% der Fälle ungeähr so sinnvoll wie mit Zeugen Jehovas über religiöse Fragen, daher fange ich damit erst gar nicht an.

  • BG
    Bürger G.

    Liebe Anne,

     

    in der Studie vom Öko-Institut, die wirklich keine Kernenergiefreunde sind (Öko-Institut, Fritsche (2007)) und deren Berechnung mit dem Programm GEMIS kommen sie inklusive Uranabbau, Rückbau und Endlagerung in Deutschland auf 32 Gramm CO2 pro Kilowattstunde Strom für die Französischen, dank Wiederaufbereitung, auf 8 Gramm CO2 pro Kilowattstunde!!!

     

    Windnergie kommt auf 16 Gramm CO2 und Fotovoltaik auf 160 Gramm CO2....

     

    ...also: Frage damit beantwortet?

     

    Meinung geändert? Bestimmt nicht! (Sie haben Ihre Meinung Tatsachen irritieren Sie bestimmt nur!) :-)

  • A
    Anne

    A propos "Folgekosten": Ich finde es immer wieder bemerkenswert, dass die Betreiber der Atomanlagen so gut wie nie erwähnen, was es kostet, und welcher Energieaufwand (auch in CO2 Äquivalenten) nötig ist, um die Kraftwerke selbst am Ende zu demontieren und deren Teile zu "entsorgen".