Atomausstieg praktisch: Strom von nebenan
Norddeutsche Wohnungsunternehmen wollen bei der Energiewende mitmischen und mahnen Blockheizkraftwerke und höhere Fördergelder an.
Die Energiewende wird auf die Wohnungswirtschaft durchschlagen. Wie im Vorfeld der Jahrestagung des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) deutlich wurde, wollen die Unternehmen sich zum einen selbst in der Energieerzeugung engagieren; zum anderen verlangen sie staatliches Fördergeld, um ihre Wohnungen auf einem akzeptablen Mietniveau energetisch modernisieren zu können.
Verbandsdirektor Joachim Wege bricht eine Lanze für den Bau von Blockheizkraftwerken (BHKW), die eines oder mehrere Gebäude beheizen und zugleich Strom produzieren. "Bevor man darüber redet, Energie von weit her zu holen, sollte man sie lieber dezentral erzeugen", sagte Wege mit Blick auf den geplanten Umbau der Stromversorgung.
Wege sieht in den Blockheizkraftwerken eine Möglichkeit, insbesondere die Schwankungen beim Windstrom in Norddeutschland auszugleichen. Leider stehe dazu im Energiekonzept der schwarz-gelben Bundesregierung nur eine kurze Passage. Dabei wäre mit jedem für ein BHKW eingesetzten Euro weitaus mehr Kohlendioxid (CO2) einzusparen als bei der Förderung der Photovoltaik.
Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) vertritt 316 öffentliche und genossenschaftlich organisierte Wohnungsunternehmen im Norden.
Hamburg: 88 Unternehmen mit 277.500 Wohnungen. 495 Wohnungen 2010 gebaut.
Schleswig-Holstein: 73 Unternehmen mit 153.000 Wohnungen, 765 Wohnungen gebaut.
Mecklenburg-Vorpommern: 155 Unternehmen mit 280.000 Wohnungen, zuletzt 149 gebaut.
Ein großes Kohlekraftwerk mit Fernwärmeauskoppelung wie jenes in Hamburg-Moorburg steht dem nach Ansicht Weges nicht entgegen. "Moorburg ist sinnvoll, wenn die Kraft-Wärme-Koppelung (KWK) genutzt wird", sagt Wege. Anders als die Grünen im ehemaligen Hamburger Senat hält er die Einspeisung aus dem Großkraftwerk für kompatibel mit der Einspeisung aus kleinen Einheiten.
HAMBURG taz | Auch der Fernwärmebedarf sei groß genug für beides. Nötig sei ein Wärmekataster, das es ermögliche, mit Blick auf die ganze Stadt langfristig zu planen. Hemmend sei für die öffentlichen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen vielmehr die Gesetzeslage. Strom aus Photovoltaik- oder KWK-Anlagen einzuspeisen wirke sich steuerlich ungünstig aus.
Wege kritisiert, dass die Regierung Merkel die Förderung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW) für das energiesparende Sanieren von Gebäuden kürzen will. Die angepeilte Jahressumme von 1,5 Milliarden Euro sei viel zu niedrig und liege weit unter dem, was die halbstaatliche Deutsche Energieagentur (Dena) verlange.
In sozialpolitischer Hinsicht warnt Wege den Bund überdies davor, die Städtebauförderung zu kürzen. Mit dieser hätten über Jahrzehnte verlässlich Wohnquartiere gepflegt werden können. Was hier gespart werde, werde in Zukunft weitaus höhere Kosten verursachen.
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