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AsylKreuzberg sucht ein Haus

Die Lage im Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz verschlechtert sich. Der Bezirk bittet nun den Senat um Hilfe.

Diese Flüchtlinge suchen eine neue Bleibe Bild: Anja Weber

Geht es nach dem Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, sollen die Flüchtlinge vom Kreuzberger Oranienplatz eine dauerhafte Bleibe erhalten. „Wir brauchen dringend ein Haus“, sagte Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) am Montag der taz. Sie habe deshalb Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) um Unterstützung gebeten.

Seit fast einem Jahr fordern Flüchtlinge mit einem Protestcamp auf dem Oranienplatz mehr Rechte. Aktuell leben dort rund 150 Menschen. Herrmann berichtet von einem Plenum am letzten Freitag im Camp. Dort hätten sich die Flüchtlinge einhellig bereit erklärt, in ein Haus umzuziehen. „Nur haben wir kein Haus“, sagte Herrmann. Deshalb habe man den Senat angeschrieben.

Laut Herrmann müsse das Haus über geeignete Sanitäranlagen verfügen und in einem Bezirk liegen, „wo die Menschen sicher sind“. Die Idee sei, für die Verwaltung die evangelische Kirche oder die Kältehilfe zu gewinnen. Außerdem sei man dabei, einen gemeinnützigen Verein zur Unterstützung der Flüchtlinge zu gründen.

Seit letzten Dezember besetzen Flüchtlinge auch die frühere Hauptmann-Schule in der Kreuzberger Ohlauer Straße. Die allerdings ist derzeit mit gut 250 Bewohnern komplett belegt. Zudem plant der Bezirk dort den Einzug lokaler Initiativen.

Kolat-Sprecher Mathias Gille sagte, in seinem Hause sei eine derartige Anfrage nicht bekannt. Für die Unterbringung von Flüchtlingen sei man auch nicht zuständig. Der Bezirk müsse das vorrangig selbst lösen.

Im Protestcamp auf dem Oranienplatz hat sich die Lage zuletzt zugespitzt. Eine Unterstützerin sprach von einer „katastrophalen“ Situation. Die Zelte seien überbelegt und böten nur wenig Schutz vor der einsetzenden Kälte. Ein Toilettencontainer sei seit Juli teilweise defekt, weil ihn Unbekannte demoliert hatten. Es gebe immer weniger Spenden. 5.800 Euro seien allein für Stromrechnungen offen. Das Schlimmste aber sei, so die Helferin, dass seit Wochen Lebensmittelspenden der Tafel ausblieben. Nur alle drei Tage gebe es etwas Warmes zu essen, zubereitet aus privaten Spenden. „Es ist eine humanitäre Katastrophe, und keiner fühlt sich zuständig.“

Tafel-Geschäftsführerin Sabine Werth bestätigt, das Camp von der Liste genommen zu haben. Sie begründete das mit „Unstimmigkeiten“ mit den Campbewohnern. „Eine faire Verteilung der Lebensmittel war nicht möglich.“ Leute „mit den schärfsten Ellenbogen“ hätten versucht, andere abzudrängen.

Unterstützer des Flüchtlingsprotests räumen interne Konflikte ein. Hauptproblem sei aber ein Streit mit der Tafel gewesen, welche Lebensmittel geliefert würden. Man habe um weniger Verderbliches gebeten, weil es im Camp keine Kühlmöglichkeiten gebe. Daraufhin habe die Tafel gar nicht mehr geliefert.

Bürgermeisterin Herrmann hofft, dass sich die Essensversorgung nun mit Unterstützung einer Volksküche regeln lässt. Es gebe bereits Interessenten. Was noch fehle, sei eine geeignete Kochmöglichkeit in der Nähe des Oranienplatzes. Tafel-Chefin Werth versprach, für die Volksküchen-Variante wieder Lebensmittel zu liefern.

Am Dienstag droht zudem einem der Köpfe des Flüchtlingswiderstands Ungemach: Der Ugander Patras Bwansi, seit Beginn des Protests dabei und am Samstag noch auf der Bühne der taz-Panterpreis-Verleihung, muss sich der Ausländerbehörde in Moabit stellen. Bereits im Frühjahr erhielt der 33-Jährige einen Ausweisungsbescheid. Wegen fehlender Ausweispapiere ist seine Abschiebung aber ausgesetzt.

Laut seinem Anwalt Volker Gerloff sollen am Dienstag Bwansi und andere Asylbewerber einer ugandischen Botschafterdelegation vorgeführt werden, um ihre Identität festzustellen. Erkenne diese Bwansi als ihren Staatsangehörigen an, drohe ihm Abschiebehaft, so Gerloff. Ausländerbehörde und Innenverwaltung wollten sich zu „Einzelschicksalen“ nicht äußern. Unterstützer rufen um 13 Uhr zu einer Kundgebung für Bwansi vor der Ausländerbehörde.

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6 Kommentare

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  • A
    Anonym

    Wazir, hast du nicht verstanden worum es geht? Welchen symbolischen Wert das Camp im öffentlichn (!) Raum hat? Dass jede flüchtige Person das Recht auf seine/ ihre eigenen vier Wände und Privatssphäre hat! Eine Forderung, die in ihrer Wichtigkeit sofort aus jedem Diskurs fallen würde, wenn die Flüchtlinge des Protestcamps in den Hinterhöfen einiger Supporter verschwinden würden. Und wie lange würde es dann noch dauern, bis eine Person nach der anderen abgeschoben oder zurück ins Lager gesteckt würde, ohne der Erregung irgendeiner Aufmerksamkeit?! Dummer Kommentar!

    • @Anonym:

      Sie haben vollkommen Recht!

       

      In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union steht es geschrieben: „Um die soziale Ausgrenzung und die Armut zu bekämpfen, anerkennt und achtet die Union das Recht auf eine soziale Unterstützung und eine Unterstützung für die Wohnung, die allen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, ein menschenwürdiges Dasein sicherstellen sollen, nach Maßgabe des Unionsrechts und der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten.“ (Vgl. Artikel 34, Absatz 3).

       

      Folgendes ist besonders zu berücksichtigen, und das wird oft in der Realität vergessen. Kein Gesetz der Charta darf so ausgelegt und angewendet werden, dass es dadurch zu einer Einschränkung oder Minderung eines Rechtes aus der Charta führen würde.

  • W
    wazir

    ich zähle 8 (!) Menschen auf einer offensichtlichen Fotomontage

     

    ich sehe bei demos einen schwarzen block von "antifas" von ca. 100 - 300 und dann nochmal hunderte weitere unvermummte dahinter

     

    ich sehe einen alternativen bezirk mit überwiegend großen mehrzimmerigen altbauwohnungen

     

    ich höre die mit großer mehrheit gewählten politiker dieses bezirks bei jeder gelegenheit nach "solidarität" rufen

     

    ich sehe, dass die objekte dieser solidarität direkt vor der nase derer sitzen, die solidarität fordern

     

    und ab jetzt bin ich ratlos...

     

    ihr habt alles was ihr braucht. jeder, der in den letzten monaten auf einer pro-asyl demo war oder sich als "supporter" hat feiern lassen und bis jetzt noch keinen der flüchtlinge bei sich zu hause aufgenommen hat soll sich als neoliberaler egoist schämen

     

    oder funktioniert eure kreuzköllner solidarität nur, wenn jemand anderes dafür bezahlt?

     

    genauso kennt man euch, ihr großen antifa plenumshelden. mit papas scheck aus stuttgart groß vermummt und anonym weltrevolution spielen und wenns ernst wird den schwanz einziehen

    • @wazir:

      Ich hab das gesehen, was Sie auch sahen. Dann nahm ich meine Sonnenbrille ab und erblickte die Realität. Die ist ganz anders. Oder war das nur ein Traum; ich weiß es nicht mehr.

       

      Ein(e) Helfer(in) teilt immer ein Stück Brot mit einem Flüchtling, auch wenn das nicht einmal für einen Menschen ausreicht. Ein(e) Helfer(in) hat eben kaum etwas mehr außer sich selbst.

  • W
    willi

    Ich möchte auch ein Haus!