■ Aserbaidschan stimmte über den geflohenen Präsidenten ab: Alijew sichert sich ab
In einer Volksabstimmung hat am Sonntag eine überwältigende Mehrheit der Aseris ihrem Präsidenten Abulfaz Eltschibej das Mißtrauen ausgesprochen. Das überrascht nicht weiter, da Eltschibej de facto bereits Mitte Juni abdankte und vor seiner meuternden Armee in die aserbaidschanische Exklave Nachitschewan floh. Seitdem regiert Gaidar Alijew, der Mann, der zu Breschnews Zeiten KP-Chef des Landes war. Was auf den ersten Blick wie eine verheerende Niederlage der Demokratiebewegung Aserbaidschans aussieht, ist jedoch mehr als nur ein gelungenes Ränkespiel der alten Nomenklatura. Zwar haben alte Kameraden aus glorreichen Sowjetzeiten am Abgang Eltschibejs mitgedreht, gestürzt ist der Mann jedoch in erster Linie über sein eigenes Unvermögen: Eltschibej fehlte die Erfahrung einer politischen Exekutive, und ihm fehlte vor allem ein überzeugendes Programm.
Wie in anderen früheren Sowjetrepubliken auch wurde Nationalismus zum Programmersatz und Krieg zur Alternative für Politik. Eltschibej versprach einen großen Sieg gegen die Armenier in Karabach und verlor. Er und seine Bewegung waren nicht in der Lage, eine militärische Niederlage in einen politischen Kompromiß umzuwandeln, und deshalb mußte er letztlich gehen. Diese Aufgabe steht nun Gaidar Alijew bevor. Dabei geht dieser mit großem Geschick vor. Mit dem Referendum von Sonntag baut er seine Legitimation aus, die er mit Neuwahlen in drei Monaten endgültig absichern will. Will er Erfolg haben, muß er in dieser Zeit seine Landsleute auf einen Kompromiß in Berg-Karabach vorbereiten. Als gewählter Präsident ist er dann stark genug, um eine Beendigung des Krieges, den Aserbaidschan zur Zeit nicht gewinnen kann, auch durchzusetzen.
Alijews politische Karte ist das Öl. Er hat als erstes die Vorabsprachen Eltschibejs mit ausländischen Konzernen suspendiert, um wieder alle Optionen offen zu haben. Am Öl aus dem Kaspischen Meer können viele mitverdienen. Die Türkei, der Iran, Rußland oder auch Armenien — je nachdem, über welchen Weg die Pipeline zu einem Ölverladehafen gebaut wird. Mit den dadurch zu erzielenden Allianzen läßt sich vielleicht eine Lösung um Karabach erzwingen. Wichtigste Voraussetzung im Moment ist, daß die Karabach-Armenier Alijew durch ihre derzeitigen Pyrrhussiege nicht vorzeitig zu Fall bringen. Jürgen Gottschlich
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