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Asbestose oder einfach nur Husten?

■ Umweltwoche und Ausstellung in Bremen-Nord / Selbsthilfegruppe der 3.000 asbestgeschädigten BremerInnen soll im Herbst zustande kommen

Heiko R. ist asbestgeschädigt. Erste Anzeichen dafür traten 1972 auf: Er ließ sich untersuchen, als er unter Husten mit Auswurf litt. Diagnose: Lungenfibrose (langsames Ausfransen der Lungen) und chronische Bronchitis. Im Laufe der Jahre klagte R. über zunehmende Anfälligkeit für Schnupfen und Grippe. Außerdem mußte er wegen Luftmangel häufig ins Krankenhaus. Über die Ursache wußte R. jedoch nichts. 1987 bekam er durch Zufall an seine Krankenunterlagen in die Hand. Durch Lesen von Fachbüchern kam R. seiner Krankheit auf die Spur: Lungenfibrose und chronische Bronchitis, ausgelöst durch Kontakt mit Asbest.

R. erinnerte sich: In den späten 50er Jahren hatte er auf dem Bremer Vulkan viel mit Asbest zu tun. 1988 diagnostizierte der Lungenfacharzt D. bei R. Asbestose, eine Lungenerkrankung, die sich zu Krebs entwickeln kann. D. ist gleichzeitig Gutachter der Berufgenossenschaft. R. zeigte seine Krankheit selbst bei der Berufsgenossenschaft an. Der Arzt habe es, obwohl er rechtlich dazu verpflichtet sei,„erst nachträglich getan“.

Seit zwei Jahren kämpft R. inzwischen um die Anerkennung seiner Asbestose als Berufkrankheit. Doch statt sie anzuerkennen, so R., „wurde ich ins Zentral

krankenhaus nach Ost überwiesen“. Dort stellte man nicht Asbestose, sondern einen „unerklärbaren Husten“ fest. Außerdem hat R. inzwischen schon einige Aufenthalte in auswärtigen Kliniken hinter sich. Gegen seinen Husten erhält R. massenweise Kortison und Kodein. Zwischenzeitlich war R. für ein halbes Jahr Rentner. Drohende Einweisung in die Psychiatrie, Rentenentzug, Vorwurf des Alkoholismus (durch die Medikamente ist R.'s Leber geschädigt) - R.'s Leidensweg seitdem ist vielfältig.

Typisches Beispiel

„R.'s Fall ist ein typisches Beispiel für die Anerkennungspraxis der Asbestkrankheiten der deutschen Berufsgenossenschaften“, sagte Fridolf Strobe vom „Institut für integrierten Arbeitsschutz“ in Hoya zur Eröffnung der Ausstellung „Asbest-Vorkommnisse und Gefahren“. Die Ausstellung ist Bestandteil der dritten Bremen-Norder Umweltwoche in Vegesack. Strobe kritisierte besonders das Anerkennungsgebaren der Berufsgenossenschaften.

700 asbestgeschädigte Vulkanarbeiter

Bereits seit 1936 ist die Asbestose als Berufkrankheit anerkannt. Die Anzeigen mit Verdacht auf eine Schädigung durch die Ärzte stieg von 385 im Jahre 1980 auf

über 1.300 im Jahre 1988. Trotzdem stieg der Anteil der „erstmals Entschädigten“ im gleichen Zeitraum lediglich von 96 auf rund 230. Dabei fordern selbst führende Gutachter der Berufsgenossenschaften inzwischen die vermehrte Anerkennung von Asbestschädigungen als Berufskrankheit.

Erst seit dem 1. Mai dieses Jahres gehört Asbest zur Gruppe der

stark gesundheitsgefährdenden Stoffe und fällt unter Gruppe eins der Schadstoffverordnung. Strobe führt das auf eine Überalterung des Arbeitsschutzsystems zurück: „Man ist nicht mehr in der Lage, für die ArbeitnehmerInnen zu sorgen, weil sich seit 100 Jahren nichts geändert hat.“ Und weiter: „Das Gros der Anerkennungsverfahren kommt auf die Berufsgenossenschaften

allerdings noch zu.“ In den 70er Jahren sei Asbest nämlich massenweise verbaut worden. Allein in Bremen gibt es für den Zeitraum 1980-89 3.000 asbestbelastete ArbeiterInnen, davon 700 beim Vulkan.

In seinem Vortrag kritisierte Strobe auch die Rolle der Asbestindustrie. Ihr sei es z.B. gelungen, den Bundesarbeitsminister von der Harmlosigkeit von herun

tergeschluckten Asbestfasern zu überzeugen. Heute wisse man dagegen: Auch im Magen können sie krebserregend sein. Und in das Amt für Wasser-, Boden- und Luftreinhaltung seien jahrelang Schmiergelder geflossen, damit die Grenzwerte möglichst hoch gehalten wurden. Obwohl seit 10 Jahren Ersatzstoffe für Asbest bekannt sind, hat die Industrie damit weitergearbeitet. 1982, als Untersuchungen ergaben, Asbest sei noch für höchstens 25 Jahre verfügbar, propagierte die Industrie ihren Ausstieg zu Beginn der 90er Jahre. Darum darf Asbest nur noch bis 1994 im Tiefbau verwendet werden.

Das alles nützt asbestgeschädigten ArbeiterInnen allerdings wenig. Um ihre Ansprüche besser bei den Berufgenossenschaften durchsetzen zu können und um Erfahrungen mit der Krankheit auszutauschen, hat sich in Hamburg die „Selbsthilfegruppe Asbestose“ gebildet. Strobe strebt auch für Bremen die Gründung einer solchen Selbsthilfegruppe an, „weil in Bremen so viel Asbest verarbeitet wurde“. Er hofft, daß sie zum Herbst zustande kommt.

Ulf Buschman

Kontaktadresse ist zunächst das „Institut für Arbeitsschutz“, Postfach 113, 2812 Hoya/Weser, Tel. 04251/7595. Heiko R. ist bereits im Hamburger Verein.

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